Nachdem wir in 2 Tagen unser komplettes Geld verfressen haben, mussten wir zurück, raus aus dem Tal. Da es jedoch auch seit fast 2 Tagen regnet, hatte ich ob der Abfahrt Bammel. Die Albaner nutzen die Straße jedoch sehr gut als ABM - es werden, bei Regen, ganze Kolonnen von Straßenarbeitern abgestellt, um die Straße wieder frei zu räumen. Durchkommen also kein Problem.
In Bajram Curry hamsterten wir neue Vorräte bei einem zufälliger Weise deutschsprachigen "Tante Emma Laden" und machten uns auf den Weg in den Kosovo. Vorher ging es aber durch Stadtteile und Dörfer, die fern ab von Förderung und Kommunalpolitik liegen. Wer ein Klischeebild sucht, wird es hier, inmitten von streunenden Hunden, Katzen und Kindern finden...
Ein letzter Blick zurück zum Valbona Tal, nahe der Grenze
An der Grenze gab es einen tollen Empfangsplausch, wieder einmal auf Deutsch und Fanny durfte mal ordentlich lachen, als ich gefragt wurde, ob ich mit meiner Tochter unterwegs wäre. Wie mein Opa zu sagen pflegt: Das Haar ist eine Sumpfpflanze. Nur auf Wasserköppen gedeiht es gut. Das ist nur ein strategischer Rückzug - und überaupt und sowieso ist Fanny sogar älter als ich. Solche Banausen...
:P
Eine Pause am Maisfeld. Nebenan werden Walnüsse geerntet
Es ist vollkommen normal, wenn bis zu 10 Personen aus einem kleinen Auto aussteigen. Erst recht, wenn neben Tür auch Kofferraum geöffnet werden...
Der Schein trügt nicht - der Kosovo ist kein brutales Land, voller Gewalttäter, Terroristen und Kriegsbesessenen. Da leben auch nur Menschen, ziemlich witzige sogar. Nur ihr Verkehrsverhalten auf großen Straßen ist arg ignorierungswürdig. Lenker gerade halten und weiter fahren, so wie alle anderen auch. Dann passiert dir schon nichts.
Es ist gerade Holzzeit. Winter is coming...
Pec - oder Peja - ist eine Stadt mit kulturellem Erbe - welches wir gekonnt ignorierten. Etwas verspätet fiel uns ein, dass es hier ja eine Sehenswürdigkeit gab. Ein Orientbasar, ein Kloster. Viele Zeugnisse historischer Bewandniss. Ein andermal. Der Kosovo ist für mich ein Land, welches zu unrecht gemieden wird.
Hinter Pec geht es wieder hinein ins Gebiet der "Peaks of the Balkan". Ein Wandergebiet, welches sich über Albanien, Montenegro und Kosovo erstreckt und alle, die ich kenne und welche bisher darauf unterwegs waren, schlichtweg begeistert hat. Wir flanken mitten hindurch, in der Hoffnung an dessen Ende wieder auf montenegrinischen Boden stehen zu können - einfach, weil uns kaum Alternativen bleiben.
Für heute sollte es noch ein paar Meter diesen archaischen Anstieg hinauf gehen. Man staunt aber mehr, als dass man bewusst die Höhenmeter zählt. Was für eine Wegbeschaffenheit...
Nach etwa 300hm nutzten wir ein Flussbett, welches gerade trocken lag, um unser Nachtlager aufzuschlagen. Wir befinden uns eigentlich schon auf dem Rückweg. Es fühlt sich keineswegs danach an...
Dieser Tag stand unter dem paradoxen,wohlwollenden Stern von Nema Problema - warum dies Paradox ist? Normalerweise sollte die veranlagte Sorglosigkeit von der dunklen Vorahnung mundtot gemacht werden, sobald im ehemaligen jugoslawischen Raum ein Einwohner die Worte "Nema Problema!" in den Mund nimmt.
Vom Flussbett auferstanden brachte uns die Straße nach einigen Kilometern an einen Punkt der Unschlüssigkeit. Der asphaltierte Belag ging in eine schöne Linkskurve, unser Track aber sollte weiter geradeaus gehen - auf einem rumpeligen Waldweg. So viel zu unserer Hoffnung, hier auf eine offizielle Grenze zu treffen...
Hinter uns hielt ein Auto. Das Fenster wurde heruntergekurbelt, wir gefragt ob wir Deutsch sprechen und bekamen eben jene legendären Worte zu hören, als wir fragten, ob es für uns möglich wäre, hier weiter zu fahren.
Es wäre spannend zu erfahren, ob sich an dieser Grenze mal etwas ändert
Nicht wirklich überzeugt, aber was sollten wir schon groß anders machen, ging es also weiter voran. Für 2km bleibt der Weg mal weniger mal mehr fahrbar, bis man auf die Grenze trifft. Mit Auto hat man hier wirklich schlechte Karten.
Als Radfahrer aber kein Problem. Genau genommen kommt einem diese noch geschlossene Grenze sogar zu Gunsten, fährt hier schließlich niemand, also wirklich, niemand sonst entlang. MNE hat seine Seite 2011 komplett erneuert und asphaltiert. Seit dem glaubt man auf eine Eröffnung dieses Weges. Wir fuhren also plötzlich durch ein Niemandsland, mit Asphalt. Ein verfallenes Ferienheim, ein vielleicht bewohntes Sommerhaus. Das war´s auf mehr als 10km Weg.
Es mag dem Menschen veranlagt sein, sich sehr unwohl im Angesicht des großen Nichts zu fühlen, welches sowohl auf kosmischer als auch auf atomarer Basis den Hauptanteil allen Daseins auf sich vereint. Zwischen Sternen und Planeten liegen Lichtminuten, -stunden, -jahre. Zwischen Atomkern und Elektronen herrschen relative Abstandsverhältnisse wie in einem Sonnensystem. Wer für Wochen oder Monate durch Wüsten reist, der wird sich nach Kontakt zu anderen Lebewesen sehnen. Aber hier, auf diesen 10km, diese vielleicht 2h Auffahrt, die wir genossen, genossen wir nicht nur wegen der Landschaft, sondern auch wegen ihrer Abgeschiedenheit zu allen menschlichen Wesen.
Zum Glück holte uns die richtige Instituion von diesem Trip der Abschottung wieder herunter. Polizei.
Das war ja schließlich ein Grenzübertritt, aber inoffiziell. Ups...
2 Grenzwächter hockten auf dem Pass, quasselten mit uns, erhaschten Reiseimpressionen und gaben Empfehlungen. Herrlich diese Ungezwungenheit. Wir hatten hier nichts zu befürchten. Nema Problema. Das hört man doch gern.
Der Rest des Tages war unspektakulär. Wir kurbelten weiter, kamen wieder in besiedeltes Gebiet, fragten uns, wie hoch wohl der Durchgangsverkehr auf dem Pass sein mag. 5 Leute am Tag? Weniger?
MNE, das Land der schwarzen Berge hatte uns wieder. Wir erfuhren nun um so deutlicher, was dieser Ländername so bereit hält. Kaum flache Plätze, auf denen man ein Zelt stellen könnte. Die Suche nach Schlafplätzen wurde anstrengender.
Schon zu vorgerückter Stunde, in einem weitern Anstieg, fanden wir schließlich ein kleines Farnfeld mit Liegespuren hinter einem örtlichen Friedhof. Es sah so aus, als hätte erst letzte Nacht ein Zelt hier gestanden. Kam uns in der Abfahrt vom Pass nicht ein Reiseradler mit Globetrotter Taschen entgegen? Hmm....
Tag 33+34: Kralje – Radice: 69km 1187hm[Strava-Link]
Ich als von Elbspitzlern infizierter Radheini kann es mir, fürchte ich, nur schwer vorstellen, dass man Anstiege nicht mögen kann.
Der mardernde Ringkampf von Wille, Kraft, Schwerkraft und verzweifelnder Prognose (Wie weit denn noch?!), welcher sich bis zum allerletzten Meter erstreckt. Die darauf folgende Abfahrt, in welcher die Strapazen von eben an die Leine genommen werden und wie ein Drache auf Abstand gehalten, schwerelos, ohne Widerstand, bleibt er dir fern, bis der nächste Anstieg beginnt. Die Winde, betrieben von der Kurbel an deinen Füßen, surrt, zerrt das Paket der widerstrebenden Ringkämpfer zurück auf deinen Rücken, in deine Beine, in deinen Kopf und wird immer straffer, schnürt die Lunge enger, bis auch hier der letzte Meter gefahren, der letzte Höhenunterschied überwunden ist. Überwindung, Erhöhung eigener Erwartungen und gewaltige Kulisse sind es, die mich dazu antreiben. Doch was treibt einen an, der all das überhaupt nicht als Antrieb empfinden kann?
Ich denke, Fanny hatte von Anfang dieser Tour an des häufigeren allen Grund, mich weit weg, sich selbst weit weg, oder immerhin diesen verfluchten Anstieg ganz weit weg zu wünschen. Sie ist Hydrologin. Als solche kann sie sich sehr gut vorstellen, wie etwas einen Hang oder Berg hinab fließt. Aber hoch? Das ist doch wider der Natur. Zumindest der von Wasser. :P
Montenegro = Schwarze Berge. Sinngebend ist das Nadelgehölz, nicht das Gestein.
Hier aber geht es fast täglich Berge hinauf. Das heißt Anstiege, von mehr als 400Hm am Stück. Selten nicht gar 800 bis 1000. Mit ordentlich Gepäck, ohne viel Training für solches Terrain (wie gesagt - Berlin) und dann auch noch von den Reparaturkünsten meinerseits gemobbt. Ich musste ihre alte Kette austauschen, die wurde zum beständigen Sicherheitsrisiko. Hatte aber nur eine 9fach Kette dabei. Das Rad hat 8fach. Das ist doch mal einen Szenenapplaus wert. Ich bastelte ihr also eine zu schmale Kette auf die Schaltung, was darin resultierte, dass das kleinste Blatt der Kurbel andauernd die Kette festklemmte. Alles andere ging zu fahren. Sie musste also mit dem 34er Blatt vorlieb nehmen, egal in welchem Anstieg. Ich weiß, damit verdient man sich Liebe. Viel davon.
Aber nicht nur, dass sie mir nicht mal heimlich Luft vom Reifen ließ, ja nicht einmal mich anmurrte, sondern nur die Berge, sondern auch noch das kaum zu hoffen gewagte Resultat, dass sie selbst nun vom Bergsyndrom (leicht) angefixt ist, verdient mehr Honorierung, als sie selbst annehmen würde.
Warum pack ich aber diese Lobrede aus?
Ganz einfach. Zwei Gründe: Es ging mal wieder berg an. Dies war unser Mittel für einen gelungenen Start in den Tag. Wir beendeten Tage im Anstieg und begannen sie auch darin. Dies ist um Welten besser, als mit 500hm Abfahrt zu beginnen. Danach fühlt man sich eisig und kommt nicht in Fahrt. So dürfen die Muskeln gleich zeigen, was sie alles gelernt haben.
Na ja, und ausserdem war es mal nötig, dass es gesagt wird.
Juhu. Ein Schauer naht sich.
Wir können vom Pass aus unsere gestrige Strecke einsehen, schlängeln uns weiter bis nach Kolasin, stopfen die Taschen und Mägen voll, erleben einen Sorgerechtsstreit von streunenden Hunden live, beißen in den sauren Apfel großer Verbindungsstraßen und quetschen uns zusammen mit 40Tonnern durch den Wechsel der Hintergrundkulissen. Sah es bis Kolasin aus wie im Muldental, stehen wir nach Überquerung eines kleinen Passes plötzlich in der Abfahrt einer Hochalpenstraße. Nachdem wir uralte, 20km/h schnelle Kipplaster mit Angst vor Bremsversagen in unbeleuchteten Tunneln überholen, schaffen wir in der ersten Kehre den Absprung von dieser Autobahn und dürfen endlich wieder durchatmen.
Die Welt, wie ein Regengott sie sah. - Für so sattes Grün erduldet man gern den ein oder anderen Tropfen Nass.
Regenschauer überziehen unsere Köpfe, steile Hanglage verhindert vorzeitige Ruhe. So geht es weiter bergan, bis eine Einfahrt zu längst verlassener Behausung unsere Rettung ist. Wir machen uns auf einer Obstwiese breit und verharren hier für einen Tag. Es gibt Wasser (von oben und aus einem Schlauch), Brombeeren und Äpfel. Ab Mittag des zweiten Tages kochen wir uns Apfelmus, verfeinern ihn mit frischen Brombeeren und laben uns an der Kulisse frischen Grüns, welches vom meterologischen Rasensprenger gut in Form gehalten wird. So lässt´s sich leben.
Tag 35+36+37: Radice – Zabljak: 56km 1550hm[Strava-Link]
Morgentliches Ritual, hier ein bisschen größer als sonst: Trocknen aller einzupackenden Materialien, wie Zelt, Plane, Schlafsäcke etc. Gerade in so feuchter Wiesengegend ist Kondenswasser allgegenwärtig
Heute sollte es geschehen - wir wollten das höchste Gebirge von MNE erreichen. Das Durmitorgebirge, mit seinen Gipfeln bis über 2.500m. Dazu begibt man sich auf eine Art Hochfläche von 1400-1500m. Die immer häufiger wechselnden Wetterbedingungen ließen dennoch kaum Zweifel an unserem Vorhaben aufkommen, weshalb wir uns erwartungsfroh in die letzten 800hm dieses Passes begaben. Und es rollte. Noch vielleicht 30min bis zum Pass, stand uns plötzlich ein solo fahrender Holländer gegenüber. Wir quasselten, tauschten kurze Erfahrungen aus und erfuhren, dass er vor hat in 2 Jahren alle Kontinente zu befahren (inkl. Antarktis. Keine Ahnung, wie er das machen will...). Wer möchte, der kann sich gern auf The Cycling Dutchman genauer über den Knaben und sein Vorhaben, sowie seinen bisherigen Fortschritt informieren.
So sieht ein angehender Weltreisender aus...
Hier wurde uns wieder bewusst, wie weit unsere Fahrt schon fortgeschritten ist. Hat er nach einem Monat noch nicht mal einen wahren Grundstein für sein Vorhaben gelegt, befinden wir uns hingegen schon auf dem Rückweg. Man wird ein bisschen traurig, verdrängt es aber schnell wieder.
Männer springen hier mit Kettensägen durch den Wald, Laster beladen mit Holzscheiten oder Schafen tuckern vorbei, ansonsten gibt es nicht viel Bewegung. Meinte der Holländer noch, er wäre seit fast 2 Tagen an keinem Markt vorbeigekommen, fanden wir schon im nächsten Dorf einen Miniladen an der Straße, in welchem wir endlich wieder Balast für unsere leicht gewordenen Taschen ergattern konnten.
MÄÄÄH!
Nach der Passüberquerung rauschten wir auf unter 1000m runter, hatten also wieder 500hm bis zum Ziel Zabljac zu bewältigen. Da diese sich jedoch recht homogon auf fast 25km erkleckerten, stellten sie kein sonderliches Ereignis dar. Viel erzählenswerter ist der Wandel der Landschaft Richtung Durmitor. Wohl von ehemaligen Gletschern, von eben jenem Gebirge kommend, ist die Landschaft hier rundgelutscht, abgeschliffen und überhaupt nicht Waldbestanden. Es wirkt viel mehr wie eine Steppenlandschaft.
Wir mussten uns Hoheit auf der Landstraße gegen marodierende Schafbanden verschaffen, sahen im Abstand von 8km zwei mal das Schild "Durmitor - 8km" - die gab´s wohl im Doppelpack günstiger - und sahen, leider das letzte Mal, die Gipfel des ersehnten Massivs.
Ab hier folgt ein kleines Trauerspiel. In Zabljac fanden wir ein herrliches Camp mit sau netten Inhabern ("Komm, Kaffeeschnaps!), fanden auch sofort zwei neue Freunde in Streunern, welche fortan keine unserer Mahlzeiten verpassten und dennoch war es nicht das, was wir uns vorgestellt hatten.
Nett von Dir, dass Du mir etwas mitgebracht hast!
Jaja, ich weiß, das ist kein vorteilhaftes Bild von Dir, aber hey - es geht um den stillen Bettler!
Die Wolken sanken auf 1500-1600m Höhe. Wir konnten sie quasi von unten anditschen. Die Temperaturen gingen auf 3-8 Grad am Tag, bis zu 0Grad in der Nacht (was waren wir froh um unsere ~900g Daunenschlafsäcke) zurück und wir suchten unser Seelenheil in der einzigen Sauna des Ortes, sowie in Essen (was sonst?). Nach 2 Tagen striffen wir doch einmal ein bisschen durch das Durmitor, es blieb aber bei einer kleinen Waldrunde.
Hoch hinaus musste hier niemand gehen, es gab ohnehin nichts zu sehen.
Es gäbe durchaus Dinge über Hunde und nächtliche Aufstände zu erzählen, aber belassen wir es einfach dabei - auch das sind nur Lebenwesen, die in Essen einen essentiellen Beitrag zum Fortbestehen ihrer selbst sehen...
Hatte sich in der ersten Nacht heimlich rein geschlichen und schlief jede Nacht an unser Innenzelt geschmiegt
So etwas, wie das Campmaskottchen
So eine Art Abschlussanekdote: Zwei Interessante Dinge gibt es zu diesen Eiern zu sagen. 1. bekommt man sie in einer Tüte gereicht. Macht sich super, in Gepäcktaschen. 2. Doch jeder Anstrengung sie wohlbehalten zu transportieren zum Trotz, verzehrten wir keines der Eier. Ein uns unbekannter Dieb klaute alle. Die Hunde waren es nicht. Wir hatten sowohl Eichelhäher als auch Fuchs im Verdacht...
Tag 38: Zabljak – Scepan Polje: 76km 1070hm [Strava-Link]
Jede Wolkenlücke ließ die Hoffnung auf mehr Sicht aufflammen
Da die Wetterberichte hauptsächlich für Zabljak schlechtes Wetter verkündeten, ringsum aber Sonne, packten wir am dritten Tag alles zusammen, auch wenn es nass war, und machte ich mich mit Fanny von Dannen (Was´n Wortspiel! ). Nicht aber ohne noch einmal zum Kaffeeschnaps in die warme Stube gelockt zu werden.
Der Weg sollte nach Pluzine gehen, einer alten Ortschaft in mitten eines gestauten Flusses. Um da hin zu gelangen, gab es ein kleines Highlight unserer Tour – den höchsten Punkt mit 1907m.
Wuhuuu - ich bin der König der Welt!
Da es in Zabljak nicht gerade schönes Wetter war und die Gipfel ohnehin nicht zu sehen, stand zur Debatte ob das eine gute Idee ist, dort hoch zu zockeln. Aber je weiter wir uns um das Gebirge herum bewegten, desto mehr Lücken gab es in der Wolkendecke und pünktlich auf dem Pass gab es Sonne.
Leider blieb dies nicht so. Wir mussten aber noch einen 2. Pass überqueren, und schon hatten wir den umgekehrten Fall. Wir standen wieder in den Wolken. Na herrlich. Die hier anstehende Abfahrt, immerhin 1200Hm, wurde furchtbar kalt, da auch noch ein starker Wind drin stand, der die Greifvögel auf der Stelle schweben ließ und uns gern direkt von vorn aufhielt.
Ab hier begann die Zitterpartie
Wie schon auf dem Weg zum Durmitor, erfährt man auch hier einen schnellen Wechsel der Landschaft und ihrer Prägungen. In den letzten 250hm der Abfahrt hat man das Tal vor sich, in welchem der gestaute Fluss vorherrschendes Merkmal ist. Vor allem sein Tiefstand springt einem entgegen.
Wer sich jedoch auf den Straßen bewegt, der wird von nachtschwarzen Tunneln begeistert, in denen wirklich alles sein kann. Eine Kreuzung, eine Kehre, loser Bodenbelag - hier kriecht man lieber sehr vorsichtig voran. Dennoch, all der Unsicherheit zum Trotz, welche man beim Durchqueren dieser Löcher empfindet, sie sind schon beeindruckend. Ohne weiteren Aufwand einfach mitten in den Fels gehauen.
Erreicht man die Ebene des Flusses, geht es geradezu monoton voran - wenn nicht Tunnel in allen Variationen auf einen warten würden. Mal 10m lang, mal mehr als 400, jedoch immer schön Dunkel und ob des Belages ein Garant für Überraschungen. So ging es über 20km durch vermutlich mehr als 40 Löcher.
Ich hoffe man erkennt die schwarzen Löcher in der rechten Bildseite. Dort gings gerade hindurch
Nach diesen 20km erreicht man den Staudamm, eine kleine Abfahrt, einen Anstieg von 100hm und direkt dahinter bereits die Ländergrenze MNE - BiH, auch als Scepan Polje bezeichnet. Ein von Raftingtourismus lebendes Örtchen, welches vermutlich Winterpausen einlegt.
Doch á propos Rafting - wir befinden uns nun an der Tara, einem Fluss, namensgebend für die wohl 2. größte Schlucht, nach dem Grand Canyon, der Welt. Im Sommer ein erfüllendes Reiseziel. Bei 5Grad stellte ich es mir aber nicht gerade prickelnd vor.
Wir versuchten unser Glück bei einem der Raftingcamps, in welchem wir nicht nur einen Platz fanden, sondern auch noch eine kostenlose Übernachtung im Bungalow bekamen, da der Campinhaber der Meinung war, für´s Zelt wäre es zu kalt. Herrlich. Wir nahmen dankend an und erwarteten sogar am Abend bekocht zu werden. Leider brachte dies unseren normalen Tagesablauf schwer durcheinander. Essen gab es 21Uhr. Normaler Weise schliefen wir da schon. Es gab Fisch und Fleisch vom "Grill". Tolle Küchenkultur!
Tag 39: Scepan Polje – Kalinovik: 64km 1200hm[Strava-Link]
Unser Camp, von der bosnischen Gegenseite
Ein weiteres Land, welches ursprünglich nicht in unserer Tourplanung enthalten war, wurde nun unter die Räder genommen. Bosnien und Herzegowina ist ein ziemlich großes und vielfältiges Land, in welchem wir eigentlich in Richtung Sarajevo und später dann Zagreb fahren wollten. Regenprognosen, Schönwetterzonen und illusorische Hoffnungen trieben uns hier zu häufigen Richtungswechseln, weshalb wir Sarajevo nie erreichten (ebenso wie auch Zagreb).
Das erste, was einem auffällt, ist der Zustand der Straße. BiH hat noch deutlich weniger Asphaltstrecken, als die umliegenden Ex-Jugo-Staaten. Die ersten 15km von der Grenze weg sind mal fest, mal schottrig, mal halbseitig unbefahrbar, mal wiederhergestellt. Ein echter Flickenteppich.
Es geht stetig neben dem Fluss entlang, auf welchem auch Gruppen aus unserem Camp heute raften wollten. Darunter vor allem 4 Belgier, welche tags zuvor noch bei 25Grad an der Adria (Nahe Kotor) schmorten. Diese zogen ihr präventiv aufgestelltes "Reiseprogramm" voll durch, obwohl sie keinerlei warme Sachen dabei hatten. Die werden viel Spaß gehabt haben.
Es gibt auch gute Straßen!
Dass BiH nicht nur Patchwork Straßen, sondern auch einen zusammengeflickten Völkerteppich beherbergt, fällt ziemlich schnell auf. Es gibt die Serben mit ihrer pro-russischen Haltung (überall Russlandflaggen), Kroaten und hier und da auch Bosnier/ Herzegowiner. Straßenschilder besaßen häufig zwei Schriftarten (kyrillisch/lateinisch), von welcher die jeweils in der Region unbeliebte verschmiert wurde. Es scheint auch so, als ob die einzelnen Gruppen lieber unter sich bleiben möchten.
Man weiß, wenn man dort hindurch fährt, dass diese innere Spaltung eines der tragenden Elemente des Bürgerkrieges der 90er Jahre war. Dass diese Spaltung teilweise noch immer fortbesteht, stimmt einen traurig und lässt am Verstand des Menschen zweifeln. Dass eigentlich Furchtbare daran ist aber, dass diese Spaltung, diese Tendenz zu Abgrenzung und wechselseitiger Stigmatisierung auch immer stärker in unseren Breiten voran schreitet. Mal wieder. Ein Unding.
Egal wohin man sich wendet, es herrscht der Morast...
Natürlich entkamen wir, entgegen unseren Hoffnung, den Regenwolken auch heute nicht. Kaum hatten wir die asphaltierte Landesstraße verlassen, um uns auf einem bis zu 10% steilen Schotter und Dreckweg auf über 1200m zurück zu kämpfen, stand uns auch die Dusche des Petrus wieder zur Seite. So kam auch noch herrlicher Schlamm hinzu. Aber es hätte schlimmer sein können. Ein holländischer Motorradfahrer berichtete uns von Sturmböen bis 200km/h, keine 2 Tage her, im nördlichen Teil Kroatiens. Da wären wir samt Zelt davon geflattert...
Nicht irritieren lassen - das dient nur zu Trainingszwecken!
Die Schlammpartie verlockte uns, die Lokalgastronomie auszuprobieren und landeten in Kalinovik im Hotel Moskau (jap, serbischer Anteil scheint hier hoch zu sein). Verleitet vom Wort "Doppelbett" landeten wir in der französischen Suite. Wer die Butterbrotstellung als Schlafhaltung bevorzugt, der mag sich mit einer gemeinsamen Decke wohl fühlen, wir hingegen fühlten uns auch von der Wandfarbe missverstanden...
Unser mitgeführtes Taschenbuch der Balkanweisheiten lehrte, dass ein bosnisches Frühstück nur 2 saustarke Kaffee und 5 Zigarretten umfasst. Wir waren dementsprechend gespannt auf unsere Verköstigung am Morgen...
Tag 40: Kalinovik – Marici: 88km 1137hm[Strava-Link]
Der Frühstücksraum beherbergte nur uns und einen vor sich hin quasselnden Fernseher, welcher davor scheute Wetterprognosen aus zu spucken. Da wir jedoch schon am Vorabend entschieden hatten abzuweichen und nach Mostar zu fahren (angeblich herrscht dort Sonne!), verzichteten wir auf weitere Wetterdienste und verdrückten unser aus Ei und Schinken bestehendes Frühstück. Puh, Glück gehabt. Ich bin Nichtraucher und gegenüber Kaffee unverträglich. Vermutlich wäre ich nach dem ersten Tässchen herumgesprungen, wie ein geklopftes Schnitzel.
Es hatte die ganze Nacht lang geregnet und erst am Morgen ließ es nach. Als wir die Räder besprangen, hatte der Wind die Straßen allerdings schon ordentlich trocken gefegt. Gut gemacht Wind!
Fast schon ungewohnt ging es zunächst nicht rauf, sondern runter. Bis auf 600m um danach wieder auf über 1200 zu kommen. Toll. Und was noch viel schöner ist: Fanny störten diese Dimensionen schon längst nicht mehr. Die Berliner Flachlandschaft war vergessen und ganz besonders stolz kann man darauf sein, dass Etappen mit „gerade einmal“ 11Hm/Km von ihr schon als Flachetappen bezeichnet wurden. Nehmt euch mal ein Beispiel, ihr elenden Cielab-TdDD-Pussies... :P
Dass wir mit südlicher Richtung ein goldenes Näschen hatten, war schon früh abzusehen. Hinter Kalinovik türmten sich dunkle Wolken, vor uns wolkenloser, blauer Himmel. Welch verheißungsvolles Land. Selbst die Temperaturen stiegen im Laufe des Tages wieder auf über 20Grad. Das hatten wir seit der Fahrt zum Valbona-Tal nicht mehr.
Nach dem ersten "missglückten" Tag in Bosnien, gebärdete sich die heutige Strecke anheimelnd und versöhnlich. Wir konnten den Blick vom miesepetrigen Gemüt abwenden und erfassen, dass auch Bosnien mehr ist, als ein Flickenteppich von Nachbarschaftsstreitereien. Aber in Sachen Infrastruktur den anderen Jugo-Staaten auch nicht wirklich überlegen. Auch hier lag Müll. Geradezu provokativ lagen Verpackungsreste und weitere Schmuddeleien um ein "Rettet die Umwelt" Schild herum.
Es ging hier für ca. 40km auf Schotterpiste entlang, erst hoch, dann runter. In der Abfahrt konnte man sich mit Kipplastern duellieren oder nach der bald aufkreuzenden Landesstraße Ausschau halten.
Ein weiterer Pass musste noch überwunden werden. Zuvor durchquerten wir jedoch ein Becken, in welchem Fanny ordentlich Tempo vorgab. Die Vorräte mussten aufgestockt, ein Bäcker seiner Waren entledigt und unser Schlachtplan für die Übernachtung geschmiedet werden. Es ging nach dem Pass bis Mostar stetig berg ab. Wir wollten jedoch nicht in der Stadt nach Übernachtungsplätze suchen. Also nutzen wir eine der letzten Gelegenheiten in der Abfahrt und ergatterten einen interessanten Platz im Hang, auf einem "Radweg", mit Aussicht auf eine alte Burgruine und das Becken, in welchem auch Mostar liegt.
Tag 41: Marici – Dobrkovici: 43km 701Hm[Strava-Link]
Wir ließen unsere Räder immer stehen, ohne sie anzuschließen. Es gab nie Probleme. In Deutschland würde ich das nicht machen...
Mostar ist eine Stadt mit viel Historie. Sie ist berühmt geworden für ihr Zusammenleben von Moslems und Christen und ihrer Steinbrücke, welche beide Seiten des Flusses und somit der gläubigen Stadtteile miteinander verband. Die Brücke ist im Laufe der Jahre immer mehr zum Symbol avanciert und erreichte ihre Klimax wohl in ihrer eigenen Zerstörung während des Krieges. Sie wurde wieder aufgebaut und ist nun ein reines Touristenlockmittel.
Hier hat man im übrigen nur mit Pömpeln am Fuss guten Halt. Sau glatt, dieser rundgelutschte Seifenstein, welcher hier verbaut wurde...
Eine sonderlich christlich-islamische Verbindung kann man dort eigentlich nicht mehr erkennen. Auf beiden Seiten des Flusses sieht es mehr oder weniger gleich aus, gleiche Krimskramsstände und Teppichverkäufer und was es nicht alles gibt. Klar ist da viel Krempel im Angebot, aber wir waren auf unserem Rückweg und dieser leicht orientalische Flair gefiel uns ziemlich gut, also begannen wir nun auch Mitbringsel zu kaufen. Die Stadt besitzt sehr viele religiöse Gebäude und natürlich sieht man die Gegenüberstellung von Islam und Katholischer Kirche, aber das ist kein Grund zu glauben, es würde ein regelrechter Graben zwischen beiden Seiten verlaufen. Diese Stadt ist ein Hybrid.
Hier leider nicht zu sehen - auf einem westlichen Gipfel über der Stadt thront ein riesiges Kreuz der Kirche
Sowie eine Art Grenze in Bosnien, denn ab hier fand sich fast nur noch kroatisch affine Grundhaltung, keine russischen Flaggen mehr, kaum noch kyrillisch.
Wir mussten auf einer großen Straße der Ebene entsteigen und Fanny fühlte sich so gar nicht wohl auf diesem offenen Rollfeld. Bis Siroki Brijeg fuhren wir so weiter und ihr wurde immer schlechter. Das war nicht nur die Straße, irgendwie verlangte ihr Körper nach Ruhe. Also bogen wir auf eine Nebenstraße ab und veränderten, wiedereinmal, unsere Route. Der Track wäre weiter auf der M6.1 verlaufen bis wir Tomislavgrad erreicht hätten. So wichen wir nun wieder in die Berge aus. Bis hinter den kleinen Ort Dobrkovici kamen wir noch, dann fand sich eine geeignete Liegestelle und wir breiteten uns am frühen Nachmittag dort aus. Ich war ein wenig beunruhigt, nicht dass das miese Wetter sich doch in einer Erkältung festgesetzt hat? Schon allein deshalb wollte ich mich nicht zu weit von größeren Ortschaften entfernen, falls man doch zum Arzt muss.
Im Nachhinein betrachtet wurde klar, dass sie durch ihr leichtes Asthma an manchen Tagen einfach viel zu wenig Luft bekam. Gesagt hat sie es mir aber erst viel später...
Postkarten schreiben! Wir haben vermutlich mehr als 50 verschickt...
Doch die Ruhe und Nachmittagssonne schienen bereits gute Wirkung zu zeigen. Ich spielte ein bisschen mit unseren trocknenden Klamotten, holte noch etwas Holz und so klang dieser recht kurze Tag ziemlich gemütlich aus. Von Fannys körperlichen Gewitterwolken blieb nichts übrig. Das war am realen Firmament leider anders.
Tag 42: Dobrkovici – Brisnik: 65km 1307hm[Strava-Link]
Die Wolken waren uns anscheinend Richtung Mostar langsam aber beständig gefolgt und nun hatten sie uns wieder ein. Lästige, anhängliche Wasseransammlungen...
Diese trübe Ernüchterung über das Wetter konnte natürlich die Freude über den nun anstehenden Anstieg nicht übertünchen. Also, zumindest meine nicht.
Es standen noch etwas über 500hm an, die es wiederum stellenweise echt in sich hatten. Zudem war klar, dass es oben endlich wieder auf Schotter gehen wird. Heureka, wie schön.
Anhand von einzelnen Bilder schwer nachzuvollziehen, aber diese Piste sorgte für Schüttelsalat im Knochensortiment
Wir erreichten eine Art Hochebene, in welcher wir, nicht das Letzte Mal, einen Grund fanden, Bosnien als Radfahrer auch in Zukunft zu misstrauen. Die Hunde sind häufig frei und verteidigen ihr Revier sehr körpernah. Bisher hatten wir wenig derartige Erfahrungen sammeln können, in Bosnien häufig mehr als einmal pro Tag.
Doch von den Hunden mal abgesehen, mochte man diese abgelegene Ecke. Ein Supermarkt fand sich auch und so hatten wir wieder genügend Vorräte, um bei schlechtem Wetter auch mal einen Tag auszuhalten. Ab hier wurde die Strecke experimentell – nur sehr kleine Wege führten in unsere gewünschte Richtung und diese stellten sich auch noch als enorm schwer fahrbar heraus.
Nicht im Bild befindet sich ein Rundpavillon mit Grillplatz und Aussichtspunkt
In der Abfahrt fand sich eine Art Ausflugsplatz, der meiner Meinung nach überhaupt nicht ins Gebiet passte. Dort oben schien der Tourismus noch so eine Art Internet im Mittelalter zu sein. Damit kann keiner was anfangen. Ich hielt an, um ein Photo zu machen und Fanny jagte einfach vorbei, im Versuch so zu tun, als hätte sie mich nicht gesehen. Folgende Konstellation ergab sich daraus: Vornweg, auf schönem Schotter, Fanny, die glaubt mir hinterher zu fahren und, da ich nicht in Sicht komme, immer schneller wird, da sie sich wundert wo ich hin bin. Ich dahinter, der nun versucht ran zu fahren, da ich ja gar nicht vor ihr weg fahre, sondern hinterher. Es dauerte fast 5km bis ich ihre Flucht beenden konnte. Da ist ordentlich was angewachsen an Muskulatur in den letzten Wochen.
Humanoide Bäume - eine seltene Pflanze.
Wir ließen Tomislavgrad rechts liegen, verfolgten lieber die Spürnase einer in Fahrt kommenden Hydrologin und hielten geradewegs auf den Buzko Jezero zu. Allerdings hielten die Regenwolken auch auf die Hydrologin zu, was ja nur zu einem führen kann - Wasser geradezu überall.
Wir stellten uns manchmal unter, manchmal fuhren wir weiter. Wir trafen eine Hochzeitsgesellschaft, die wie aus unserem kleinen "Bosnien-Taschenbuch" entnommen wirkte. Herrlich.
Keine 5km vom See entfernt errichteten wir unser Nachtlager, überließen die Nachtwache einer riesigen Gottesanbeterin und kochten mit Spiritus im Zelt.
Ein Wort zu unserem aktuellen Fahrplan: Sarajevo und Zagreb waren schon längst gestrichen. Unser kurzfristiges Ziel war Karlovac. Bis dahin sollte es, recht nah zur kroatischen Grenze, in Bosnien weiter gehen, bis etwa Velika Kladusa. Von Karlovac aus wollten wir weiter nach Slovenien - Maribor. Je nach Zeit und Möglichkeit wollten wir noch Bratislava oder Wien, oder gar den gesamten Moldau-Elberadweg oder Ostböhmen durchstreifend zurück nach Dresden fahren. Welch naive Ambitionen.
Von der Sonne aufgestachelt stürzten wir uns auf den See, an dessen Ufer sich die ersten Hunde des Tages auf uns stürzten. Das macht munter. Klingt aber schlimmer, als es war.
Der See selbst ist jetzt keine herausragende Konstruktion der Natur, aber dennoch befriedend zu sehen, dass Wassermengen nicht immer über dem Kopf schweben müssen, um daraufhin hinab zu fallen. Manche sind auch damit zu frieden ihr Dasein am Boden zu fristen. Eine lobenswerte Einstellung.
Wolkenberge, wandernde Wassermassen. Eine Krux.
Es ging durch Livno - der Stadt des Käses - in welcher wir weiter Vorräte hamsterten, einen ersten Regenschauer durchziehen ließen und einige Kilometer später einen der letzten Anstiege auf über 1000m in Angriff nahmen. Ein bisschen Wehmut machte sich in mir breit. Es sind die Kleinigkeiten, wie 500hm Anstieg am Stück oder mehr, die man schnell zu vermissen beginnt. :P
In unserer bosnischen "Fibel" wird darauf hingewiesen, dass, ähnlich wie in Brandenburg, vor allem junge Menschen im leichtsinnigen Umgang von Alkohol und Führerschein sich häufig selbst und andere in den Tod fahren. Unfälle seien an der Tagesordnung. Interessant war für uns, dass wir gleich zwei Aspekte dieser Problematik heute erleben durften. Zuerst hörte ich eine Kollision, die sich wenig später als ein Abpraller von 3 Jungen Männern mit ihrem roten Auto an der Leitplanke herausstellte. Die hatten dabei echt Schwein, nur Materialschaden. Etwas später, nach unserer Mittagspause in Glamoc, trafen wir auf eine Straßensperre. Es war Sonntag und die Behörden der Region erlaubten auf einem etwa 2-3km langen Abschnitt der Landesstraße offizielle Straßenrennen. Was dort los war - echt krass. Die Bosnier sind auf jeden Fall Auto und Geschwindigskeitsaffin.
Wir verließen kurz darauf die Hauptstraße, bekamen zwischenzeitlich echt Bammel, da Hunde so hoch wie unsere Lenker Spurteinlagen von mehr als 500m quer übers Feld einlegten, nur um unsere Kniescheiben anzubellen... wuah, das war nicht geil. Aber irgendwann ist auch deren Revier zu Ende und sie lassen einen ziehen.
Die nächsten 40km unterscheiden sich in ihrer Beschaffenheit kaum. Feste Schotterpisten, verfallene Häuserruinen, an Gipfeln hängende Regenschauer, Dolinen und kaum ein Baum.
Wir entschieden uns nahe einem Ort namens Rore unser Lager aufzuschlagen, versteckten uns in einer der Dolinen, schafften es noch gerade rechtzeitig ins Zelt zu kommen, bevor der nächste Guss nieder ging und wurden zum Abendbrot mit Regenbogen und Panorama versöhnt.
Die letzte Übernachtung auf fast 1000m - es sollte die wohl kälteste Nacht werden
Was für ein Morgen. Wir krochen aus unserer Doline und sahen den immer breiter werdenden orangen Streifen am Horizont. Es wird doch nicht etwa...?
Nein. Natürlich nicht. Bis wir unser Frühstück beendet hatten, machte sich der nächste Schauer bereit und so ging es mit Nieselregen auf den Weg.
Es sollte nun hinab gehen nach Drvar. Vorher gab es wirklich nicht viel und auch dieser Ort wirkte nicht gerade überbordend belebt. Nun wartete der Nationalpark Una auf uns. Vorher stand die vorletzte Steigung mit mehr als 200Hm am Stück im Weg. Die Hügel werden immer kleiner.
Schön nass erreichten wir nun die lange Strecke, die sich über der waldbestandenen Schlucht der Una entlangschlängelt. Die Nähe zu Kroatien scheint diesem Teil Bosniens auch einiges an Geld ein zu bringen, und so findet sich dieser Nationalpark in einem wirklich guten Zustand, mit schön hergerichteten Picknick- und kleineren Campingstellen.
In Martin Brod wurde uns schon angeboten für 1,50€ pro Person das Zelt aufzubauen, aber wir wollten endlich mal wieder eine Dusche haben, welche erst im 10km entfernten Kulen Vakuf zu finden wäre. Also fuhren wir weiter – nachdem wir die Wasserfälle besichtigt hatten. Wieder symptomatisch für diese letzten Wochen drängeln sich Regenwolken der strahlenden Sonne auf.
Kleine Campingplätze sind meistens echt toll.
Wir kamen auf den 10km bis Kulen Vakuf nicht darum herum, noch einmal die Picknickplätze zu testen und einem Regenfeld damit den Passierschein A38 auszustellen. In Kulen Vakuf ignorierten wir die Hinweisschilder für das große Camp gekonnt und erreichten ein Minicamp von Privatleuten, welches von 2 verfressenen Katzen behaust wurde.
Wer meint unbeobachtet essen zu können, der ist hier falsch...
Es war herrlich da. Die Leute hatten sich viel Mühe gegeben beim Ausbau ihres Camps, es gab Koch und Feuerstelle, einen Computer von welchem wir das erste Mal Musik seit Ewigkeiten hörten, die keiner Volksmusik gleichkam und wir konnten mal wieder Wäsche waschen. Wir wussten, dass es unsere letzte Nacht in Bosnien werden sollte und jeder zog sein eigenes Fazit zu diesem Land. Das Wetter hatte uns nur partiell willkommen geheißen und auch manche Abschnitte der Strecke hatten sich nicht gerade mit positiven Eindrücken ins Gedächtnis gebrannt. Aber da wir wirklich nur einen kleinen Teil von BiH gesehen haben, sollte man daraus noch kein Gesamtfazit erstellen. Es lohnt bestimmt mal wieder zu kommen. Nur vielleicht nicht im Oktober.
Tag 45: Kulen Vakuf – Cetingrad: 111km 1083hm[Strava-Link]
Woher auch immer dieser Glaube kam, ich hoffte noch immer darauf, dass wir dem guten Wetter entgegen fahren. Heute sollte es auf kroatische Seite gehen, damit wir morgen in einem kleinen Spurt bis Slovenien durchziehen können. Es zog uns zurück ins Land des Blaubeerlikörs. Das war genau das, was wir an den nass-kalten Abenden gebrauchen könnten.
Doch zunächst galt es den letzten ernsthaften Anstieg zu genießen. Das Una-Tal erstreckte sich noch für einige Kilometer, bis man in einer Klettereinlage von 350hm auch dieses verlässt und sich welligem Flachland entgegen wirft.
Das Tal selbst sieht aus, wie ein x-beliebiger Abschnitt im Riesengebirge - bis auf die Minarette, die sind eine kleine Abweichung vom gewohnten Bild.
Der letzte anständige Anstieg unserer Tour - sind es Tropfen oder Tränen, ich weiß es nicht mehr. :P
Schon lange Zeit phantasierte ich beim vor mich hin demmeln in den Anstiegen davon, dass der Balkanraum ganz dringend eine Art Radklassiker bedarf. Einer Veranstaltung, die das kaum genutzte Potential dieser bombastischen Gegend endlich ausschöpft. Zudem hätte der grenzübergreifende Einzugsraum einer 2-Wochen-Rundfahrt durch Albanien, Montenegro, Kroatien, Bosnien und vielleicht auch Serbien, Mazedonien und Kosovo sogar übergreifend verbindende Aspekte zu bieten. Wie auch immer - die Gegend hat riesiges Potential für legendäre Berg-Königsetappen, für Eintages-Klassiker und sogar ewig lange Flachetappen.
Es wäre schön, wenn so etwas wie Radsport einem kleinen Teil der Bevölkerung und Länder Begeisterung und sogar Perspektive bieten könnte. Doch für so etwas bräuchte es geradezu waghalsige Aspiranten, die all das in die Wege leiten müssten. Eine Utopie.
Wir hingegen stolperten in Bihac, der regionalen Kreisstadt in ein riesiges Verkaufssortiment eines neueröffneten, kaum besuchten "hier bekommst du alles" Marktes. Ja, auch dort treibt ortsgebundener Einkommensüberschuss solche Blüten, nicht nur in Dresden...
Es war mir bereits bewusst, dass der Versuch nach Kroatien hinüber zu gelangen ungewiss ob seiner Positionierung sein wird. Manche Übergänge existierten nicht mehr, manches war in meiner OSM Karte unklar dargestellt. Wir kamen jedoch gut voran und stießen auf ein hoffnungsfrohes Zeichen - einem Straßenschild nach Slunj, welches in Kroatien liegt. Wir folgten der Straße, welche, je näher wir der Grenze kamen, graduell immer schlechter wurde, bis wir an einem Baucontainer aufgehalten wurden. Der Grenzwärter ließ uns nicht durch, es wäre nur ein Durchgang für regionale Einwohner. Wir sollten es in Pasin Potok probieren, 13km von hier.
Aus den 13km, an denen ich ohnehin meine Zweifel hegte, wurden 30km. Der Tag wurde lang und länger, die Anstiege, auch wenn nicht lang, immer garstiger und der immer wieder einsetzende und sich verstärkende Regen ließ uns auch nicht in Wallung kommen. Was uns antrieb war einfach der Gedanke, es hinter uns zu bringen. Es zeigten sich deutliche Abnutzungserscheinungen. Warum machen wir das hier?
Auch Pasin Potok wollte uns nicht drüber lassen. Ich hörte Fannys Moral wie einen riesigen Pudding zu Boden klatschen. Glücklicherweise wollten uns aber die Kroaten herein lassen. Wir waren wieder in der EU, der Regen wurde wieder stärker und wir wollten nur noch eines - schlafen! Ein schlammiger Waldweg brachte uns schlussendlich zu unserem Ziel.
Tag 46 Cetingrad – Karlovac: 58km 580Hm[Strava-Link]
Sowie Zugfahrt Karlovac - Ljubljana
Ljubljana - Wien
Busfahrt Wien - Dresden
Die Nacht war furchtbar. Es kamen mehr als 60l/m² herunter, Fannys Seite der Liegefläche wurde geflutet, ich hörte aus unruhigem Schlaf geweckt abwechselnd schwere Wassertropfen herniederprasseln, oder aber Wildtiere den Pflanzenbewuchs um uns herum zerkauen. Zudem kam eine Prognose der meterologischen Verwandtschaft, welche zusammengefasst folgendes beinhaltete: Regen, kalt, Regen, kalt, evlt. Schnee. Wir nippten an unserem Tee und knabberten an unseren Morgenbemmen wir an einer Henkersmahlzeit.
Ein trockener Abdruck auf dem Boden ist Zeugnis unserer Existenz
Wir waren noch immer mitten im Nirgendwo, also mussten wir weiter. Wenigstens bis Karlovac, dort wird sich schon zeigen, was wir als nächstes machen werden.
Wäre unsere versagende, da aufgeweichte Moral der einzige Aspekt unseres nahenden Scheiterns gewesen, wir hätten es vielleicht noch ein paar Tage länger ausgehalten. Leider kam mechanisches Versagen noch hinzu. Die Sperrklinken meines Freilaufkörpers schienen runtergenutzt. Ich konnte immer häufiger Treten, ohne jegliche Kraftübertragung. Ein Leerlauf im Vorwärtsgang sozusagen. Enorm unpraktisch, vor allem in kurzen Gegenanstiegen, die hier zu Hauf aufwarteten.
Wir waren gefrustet, von den Aussichten "not amused" und der Meinung, doch eigentlich alles erreicht zu haben, sofern dies möglich war. Wir wollten nie zurück nach Slovenien oder Österreich. Unser Ziel war Ungarn über Serbien und Mazedonien. Da wir diese Route schon frühzeitig abändern mussten, hatte die restliche Tour den Anschein der Übererfüllung bei gleichzeitiger Unterernährung unserer Erwartungen.
Das Ende unserer Fortbewegung aus eigener Kraft musste zunächst verdaut werden...
Wir wurschtelten uns bis Karlovac und entschieden uns doch schweren Herzens für die Bahn. Wenn schon Slovenien, dann wenigstens Ljubljana. Steffi wusste nur gutes zu berichten und wir dachten, von dort aus eine gute Position für die Weiterreise nach Dresden zu besitzen.
Wir machten uns ordentlich breit und trocknete unsere Klamotten, Schuhe, Schlafsäcke und Zelt. Der Zugbegleiter beschleunigte in unserer Nähe immer seinen Schritt. Ließ unser nicht vorhandenes Deo etwa nach...?
Wer schon einmal mit Reiserad unterwegs war, der weiß, dass Zugfahren meistens das Umständlichste und Nervenbelastendste der gesamten Tour werden kann. So auch hier. Die geschlossenen Grenzen für internationalen Bahnverkehr, die unwissenden doch ihrer Unwissenheit obsolet reagierenden Schaltermitarbeiter, die uns falsche Verbindungen anpriesen, die Panikattacken am Bahnsteig, die uns überfielen, als kein Schaffner wusste, wo das sein soll, wohin wir fahren wollen, die ganz am anderen Ende befindlichen Radabteile, die reservierten Reiseabteile in überfüllten Zügen, die in Vergessenheit geratenden Grenzkontrollen zwischen allen EU-Ländern, der Bus voller Touristen, welcher geradezu in Schockstarre verfällt, als wir in Dresden auf mehrere Polizei-Hunderter in Vollrüstung und Hundestaffeln mit Wasserwerferunterstützung treffen, die sich grölend nähernde Menge von Dynamofans, welche uns zu rekordverdächtiger Fluchtzeit antreibt.
Wir sind wieder zu Hause, haben viel erlebt und doch nicht alles. Doch, was bleibt einem nach einer Reise?
Genau - die Vorfreude, auf eine Weitere! Der Balkan wird uns wieder sehen. Irgendwann.
Abschluss: Ljubljana - wer Prag mag, der wird sich hier wohl fühlen.
Ganz ehrlich - in dieses Hostel bringen mich keine zehn Pferde mehr zurück. Nach gut 45 Tagen Freiluftübernachtung wurde man hier in eine schlecht klimatisierte Schuhschachtel gesteckt
Es gibt tolle Altstadtgassen, herrliche Trinkschokolade und leckeres Bier. Wie Prag, eben. Nur der Heidelbeerschnaps, der ist großartig. Wir kauften für die komplette Verwandtschaft ein.
Die Burg wurde saniert und zu eine Art Gesamtkunstwerk umkonzipiert. Sehr interessant anzuschauen!
Das letzte Bild, eine Analogie - Bad Weather, übertüncht von Sonne. Wir hatten viel gutes Wetter, doch die letzten zwei Wochen bleiben feucht in Erinnerung
Bevor es ins Abschlussgequassel geht, hier noch schnell eine statistische Aufbereitung der Tour:
Im Endeffekt waren es 39 Fahrtage mit 2.810km und 41.066Hm (~14,6Hm/km = hügelige Etappe :P ). Wir durchquerten/kreuzten/touchierten 7 Länder mit dem Rad, hatten 2 Platten (beides Male Schleicher durch Dornen/Glas), eine Hops-gegangene Speiche, eine zerstörte Taschenaufhängung, Tagestemperaturen zwischen 3 und 37Grad, büßten eine Sonnenbrille ein, süffelten fast täglich 1l Trinkjogurt und 2l Bier, trafen nur entgegenkommende andere Reiseradler (~6 Mal), haben kein probates Mittel gegen aggressive sowie/bzw. hungrige Hunde gefunden, vertilgten soviele Feigen wie noch nie zuvor, trafen sogut wie immer mindestens einen deutsch-sprechenden Menschen im ehemaligen Jugoslawien (komisch), verbesserten unsere serbokroatischen Sprachkenntnisse quasi null (schade), trafen nur in Deutschland und Österreich auf Flüchtlinge, hörten allerorts wie schlimm es gerade wo anders wäre, wovon wir aber nie etwas zu Gesicht bekamen (Medien?), lasen ca. 8 Bücher (eBook), knippsten recht genau 1000Bilder und vermissten noch während der Heimfahrt im Bus das Gefühl, so weit zu kommen, wie die eigenen Beine dich bringen.
Das war´s, ich bin durch.
Noch immer sind es wohl um die 19.000 Wörter, die ich euch hier vor die Füße werfe. Doch denke ich, dass es sich lesen lässt, sollte man (bzw. frau) die Geduld und Zeit haben, sich ihrer anzunehmen.
Es sind sehr viele Bilder dabei, ich habe sie auf ein vernünftig Maß verkleinert, dennoch könnte es sein, dass Performance-Schwierigkeiten auftreten, beim Öffnen dieses Threads. Leider gibt es keine Möglichkeit, die Bilder so zu verbergen, dass sie nur auf Wunsch gezeigt werden. Hat hier noch jemand eine Idee?
Ich hoffe sehr, dass es dem ein oder anderen als Lektüre gefällt und vielleicht sogar anregt. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und Ausdauer.
Na DAS ist mal ein Bericht. Eigentlich recht kurz, in Relation zur Länge der Reise, besonders unter Berücksichtigung des Verfassers. Die Reise hätte ich vielleicht auch noch geschafft, aber es so aufzuschreiben, nie und nimmer. Selten habe ich in Reiseberichten von Elektronen, Atomkernen und mardernden Ringkämpfen gelesen.
Die Route, die ihr da genommen habt, ist ja auch nicht ganz ohne. Recht hügelig für Reiseradlerverhältnisse. Wieviel kg habt ihr da mit euch herumgeschleppt, und habt ihr es bereut (bzw. reduziert)?
Eine Frau hat zumindest den Bericht über/quergeflogen und Bülda angeschaut. Ich möchte aber deiner Fanny ein Riesenkompliment machen, dass bei den Steinen, Bergen so durchzuziehen. Ich glaube, mein Rad hätte ich so manchmal hinge.....und wäre keinen Schritt weitergefahren. Respekt!!!
[cite] karstb:[/cite]
Die Route, die ihr da genommen habt, ist ja auch nicht ganz ohne. Recht hügelig für Reiseradlerverhältnisse. Wieviel kg habt ihr da mit euch herumgeschleppt, und habt ihr es bereut (bzw. reduziert)?
Heyho,
zur Frage des Gepäcks wegen - das ist für mich leider nicht so genau zu beantworten, da wir es nie gewogen haben. Gefühlt kann man aber sagen, dass Fannys Gepäck wohl so zwischen 15 bis 25kg schwankte und meines wohl zwischen 25 und 40kg. Das ist arg Wasser abhängig. Manchmal hatte ich wohl mehr als 15l Wasser dabei, manchmal kaum 5l.
Wir hatten uns vor der Reise eine Liste erstellt, was wir so alles glauben zu brauchen. Aus vorherigen Reisen schien die Einschätzung dieser Liste ganz gut geklappt zu haben, da wir nichts weglassen mussten, um die Taschen auch schließen zu können. Das Packmanagement hatte von Anfang an ziemlich gut funktioniert. Vor allem die Aufbewahrung von sich selbst verbrauchenden Ressourcen wir Nahrung bot Spielraum für große Schwankungen in unseren Freiräumen. Letztendlich hätte ich aber nie irgendwas zurücklassen wollen. Eher im Gegenteil - ich hätte gern mehr mitgebracht.
Als kleinen Gag für meinen Vater brachte ich Feuerholz aus drei Ländern mit (jeweils einen ordentlichen Holzscheit), für die Freunde gab es 2l-Bierflaschen, Käse und Wein, Teppich, Vorleger und Kissenbezüge, was teilweise seit Durmitor bzw. Mostar mitgenommen wurde. In der ersten Woche nahm ich Fanny gern mal noch den Packsack ab, später wurde er ihr steter Begleiter. Alles in allem kann ich über unsere Zuladung nicht meckern. Klar, sonderlich leicht waren wir nicht. Dieser Holländer, den wir in MNE trafen, sah aus, als hätte er kaum 20kg Gepäck dabei. Vermutlich noch nicht mal das. Da steckt aber auch wirklich ordentlich Kohle dahinter, wenn man sich bei jedem Ausrüstungsgegenstand den leichtesten gönnen möchte/kann. Empfinde ich als überflüssig - das Motto der Hexe gilt ja ohnehin schon seit Jahren - was de nicht auf´m Konto hast, haste halt in den Beinen. :P
(ährm... ich mein natürlich: Stahl rules! )
Sehr schöne Reise und sehr schöner Bericht. Feine Fotos.
Ich bin ja hierzulande immer ganz angetan davon, daß zu (fast) jedem Hund ein Herrchen/Frauchen gehört.
Vielleicht ist der Bericht ja auch was, um es im Reiserad-Forum ( http://rad-forum.de/ ) unterzubringen ?
Soso, Holzscheite auf dem Rad durch halb Europa transportieren....
Ich bin ja auch nicht ultimative Gewichtsfanatiker, und ob mein Bock nun 7.8 oder 8.3kg wiegt, ist ja auch objektiv gesehen wenig entscheidend. Ob man dann allerdings 10kg oder 40kg mit sich herumschleppt, macht schon einen Unterschied. Ich koennte wetten, dass die Taschen weniger oft herausspringen und die Speichen weniger oft nachgeben, wenn sie weniger zu tragen haben. Ich war mal mit 23kg (inkl. offroadtauglichem Rad, inkl. Zeltausruestung, ohne Trinken) fuer vier Wochen (inkl. Neuschnee) unterwegs, und als ich danach ohne Ballast fuhr, fuehlte es sich verdammt einfach an. Du musst dich ja wie eine Rakete gefuehlt haben nach dem Ablegen des Ballasts.
[cite] karstb:[/cite]Soso, Holzscheite auf dem Rad durch halb Europa transportieren....
Ich bin ja auch nicht ultimative Gewichtsfanatiker, und ob mein Bock nun 7.8 oder 8.3kg wiegt, ist ja auch objektiv gesehen wenig entscheidend. Ob man dann allerdings 10kg oder 40kg mit sich herumschleppt, macht schon einen Unterschied. Ich koennte wetten, dass die Taschen weniger oft herausspringen und die Speichen weniger oft nachgeben, wenn sie weniger zu tragen haben.
Es mag vielleicht nicht so geklungen haben, aber mir ist durchaus bewusst, dass es so etwas wie Gewichtsgrenzen, sowohl für Taschen als auch für die Gepäckträger selbst gibt. Diese habe ich stets eingehalten. Es war eine der Fronttaschen, die abgesprungen ist - was eindeutig sau schlechter Straße und minimal ungenügender Klemmung der Halterung zuzuschreiben ist. In der Tasche waren ca. 5kg, was deutlich weniger ist, als zugelassen... nach dieser Logik hätten viel mehr meine Back-Roller nachgeben müssen, da die durchaus an ihren Grenzen geführt wurden - taten se aber nicht. Und die Speiche brach auch nicht wirklich. Es war der Nippel, der gebrochen ist (was auf etwas zu kurze Speichen beim Einbauen hinweist - ich weiß.), durch die Tasche, die ins Laufrad sprang. Alle anderen blieben heil, obwohl ich gerade mal DT Champions verbaut habe, was bei solcher Belastung schnell zum Bruch führt, da die einfach mal unflexibel sind. So falsch kann´s also nicht gewesen sein, was ich da gemacht habe...
[cite] karstb:[/cite]
Ich war mal mit 23kg (inkl. offroadtauglichem Rad, inkl. Zeltausruestung, ohne Trinken) fuer vier Wochen (inkl. Neuschnee) unterwegs, und als ich danach ohne Ballast fuhr, fuehlte es sich verdammt einfach an. Du musst dich ja wie eine Rakete gefuehlt haben nach dem Ablegen des Ballasts.
Hmmm... klar fühlt man sich ohne Gepäck wie befreit. Das treibt aber nicht nur schöne Blüten.
Schlimm wirds, sobald du aus dem Sattel gehst. Die ersten Fahrten fühlen sich dann immer so an, als würdest du gleich das Rad im hohen Bogen von der Straße schleudern, da man ein ganz falsches Maß an Kraft anlegt, um die Karre herum zu wuchten.
Ich war ja auch motiviert, als ich wieder zurück war. Wollte unbedingt noch eine Heimat Light fahren. Bin dabei allerdings auf Grund von fehlender Bekleidung eingegangen. Hätte nie im Leben damit gerechnet, dass es unterwegs Richtung Gefrierpunkt gehen könnte. Habe in der Abfahrt nach Rychnov (sowie bei allen vorherigen) nicht auf Grund von überambitioniertem Kraftaufwand sondern auf Grund von Schüttelfrost in den Armen das Rad beinahe weggeworfen. Das war nicht geil... dabei ging der Raketenantrieb komplett flöten.
[cite] weisszeh:[/cite]
Vielleicht ist der Bericht ja auch was, um es im Reiserad-Forum ( http://rad-forum.de/ ) unterzubringen ?
Hatte ich mir im Vornherein auch schon überlegt. Werde dort mal testen, inwieweit ich den hier verfassten Text dort verwenden kann. Sollte es gar zu viel Formatierung bedürfen.... na ja, das hier war schon beschäftigend genug. Aber schauen wir mal...
Schöner bericht der so manches mal zum Schmunzeln ob der grandiosen Wortwahl veranlasste
Bei diversen Bildern hätte ich mir eine vergrößerbare Version gewünscht, das funktioniert ganz gut mit den Foto-Alben von mtb/rennrad-news.de (einbetten via BB-Code), siehe auch die Bildbeiträge im hiesigen Unterholzbereich.
Auf jeden Fall hat der Bericht mein Iteresse für die Ecke da unten noch mehr angefacht:)
Bzgl. der Bilder - das ist durchaus richtig, dass ich mir auch schon überlegt hatte, größere Bilder mit einzubetten - aber insgesamt waren das hier schon 260Bilder. Alle vorher auf ein kleiners Format gestampft, damit es nicht Jahre dauert, das alles hoch zu laden. Wenn ich noch mal Zeit dafür habe, wähle ich vielleicht ein paar aus und mache sie in Groß als Link gut gekennzeichnet mit rein. Das könnte aber ein bisschen dauern...
Kommentare
Tag 31: Valbona – Pec: 94km 1425Hm[Strava-Link]
Nachdem wir in 2 Tagen unser komplettes Geld verfressen haben, mussten wir zurück, raus aus dem Tal. Da es jedoch auch seit fast 2 Tagen regnet, hatte ich ob der Abfahrt Bammel. Die Albaner nutzen die Straße jedoch sehr gut als ABM - es werden, bei Regen, ganze Kolonnen von Straßenarbeitern abgestellt, um die Straße wieder frei zu räumen. Durchkommen also kein Problem.
In Bajram Curry hamsterten wir neue Vorräte bei einem zufälliger Weise deutschsprachigen "Tante Emma Laden" und machten uns auf den Weg in den Kosovo. Vorher ging es aber durch Stadtteile und Dörfer, die fern ab von Förderung und Kommunalpolitik liegen. Wer ein Klischeebild sucht, wird es hier, inmitten von streunenden Hunden, Katzen und Kindern finden...
Ein letzter Blick zurück zum Valbona Tal, nahe der Grenze
An der Grenze gab es einen tollen Empfangsplausch, wieder einmal auf Deutsch und Fanny durfte mal ordentlich lachen, als ich gefragt wurde, ob ich mit meiner Tochter unterwegs wäre. Wie mein Opa zu sagen pflegt: Das Haar ist eine Sumpfpflanze. Nur auf Wasserköppen gedeiht es gut. Das ist nur ein strategischer Rückzug - und überaupt und sowieso ist Fanny sogar älter als ich. Solche Banausen...
:P
Eine Pause am Maisfeld. Nebenan werden Walnüsse geerntet
Es ist vollkommen normal, wenn bis zu 10 Personen aus einem kleinen Auto aussteigen. Erst recht, wenn neben Tür auch Kofferraum geöffnet werden...
Der Schein trügt nicht - der Kosovo ist kein brutales Land, voller Gewalttäter, Terroristen und Kriegsbesessenen. Da leben auch nur Menschen, ziemlich witzige sogar. Nur ihr Verkehrsverhalten auf großen Straßen ist arg ignorierungswürdig. Lenker gerade halten und weiter fahren, so wie alle anderen auch. Dann passiert dir schon nichts.
Es ist gerade Holzzeit. Winter is coming...
Pec - oder Peja - ist eine Stadt mit kulturellem Erbe - welches wir gekonnt ignorierten. Etwas verspätet fiel uns ein, dass es hier ja eine Sehenswürdigkeit gab. Ein Orientbasar, ein Kloster. Viele Zeugnisse historischer Bewandniss. Ein andermal. Der Kosovo ist für mich ein Land, welches zu unrecht gemieden wird.
Hinter Pec geht es wieder hinein ins Gebiet der "Peaks of the Balkan". Ein Wandergebiet, welches sich über Albanien, Montenegro und Kosovo erstreckt und alle, die ich kenne und welche bisher darauf unterwegs waren, schlichtweg begeistert hat. Wir flanken mitten hindurch, in der Hoffnung an dessen Ende wieder auf montenegrinischen Boden stehen zu können - einfach, weil uns kaum Alternativen bleiben.
Für heute sollte es noch ein paar Meter diesen archaischen Anstieg hinauf gehen. Man staunt aber mehr, als dass man bewusst die Höhenmeter zählt. Was für eine Wegbeschaffenheit...
Nach etwa 300hm nutzten wir ein Flussbett, welches gerade trocken lag, um unser Nachtlager aufzuschlagen. Wir befinden uns eigentlich schon auf dem Rückweg. Es fühlt sich keineswegs danach an...
[gpsies]bihwlzticxfqdjqr[/gpsies]
#Tag32-PecKralja
Tag 32: Pec – Kralja: 70km 1386Hm[Strava-Link]
Dieser Tag stand unter dem paradoxen,wohlwollenden Stern von Nema Problema - warum dies Paradox ist? Normalerweise sollte die veranlagte Sorglosigkeit von der dunklen Vorahnung mundtot gemacht werden, sobald im ehemaligen jugoslawischen Raum ein Einwohner die Worte "Nema Problema!" in den Mund nimmt.
Vom Flussbett auferstanden brachte uns die Straße nach einigen Kilometern an einen Punkt der Unschlüssigkeit. Der asphaltierte Belag ging in eine schöne Linkskurve, unser Track aber sollte weiter geradeaus gehen - auf einem rumpeligen Waldweg. So viel zu unserer Hoffnung, hier auf eine offizielle Grenze zu treffen...
Hinter uns hielt ein Auto. Das Fenster wurde heruntergekurbelt, wir gefragt ob wir Deutsch sprechen und bekamen eben jene legendären Worte zu hören, als wir fragten, ob es für uns möglich wäre, hier weiter zu fahren.
Es wäre spannend zu erfahren, ob sich an dieser Grenze mal etwas ändert
Nicht wirklich überzeugt, aber was sollten wir schon groß anders machen, ging es also weiter voran. Für 2km bleibt der Weg mal weniger mal mehr fahrbar, bis man auf die Grenze trifft. Mit Auto hat man hier wirklich schlechte Karten.
Als Radfahrer aber kein Problem. Genau genommen kommt einem diese noch geschlossene Grenze sogar zu Gunsten, fährt hier schließlich niemand, also wirklich, niemand sonst entlang. MNE hat seine Seite 2011 komplett erneuert und asphaltiert. Seit dem glaubt man auf eine Eröffnung dieses Weges. Wir fuhren also plötzlich durch ein Niemandsland, mit Asphalt. Ein verfallenes Ferienheim, ein vielleicht bewohntes Sommerhaus. Das war´s auf mehr als 10km Weg.
Es mag dem Menschen veranlagt sein, sich sehr unwohl im Angesicht des großen Nichts zu fühlen, welches sowohl auf kosmischer als auch auf atomarer Basis den Hauptanteil allen Daseins auf sich vereint. Zwischen Sternen und Planeten liegen Lichtminuten, -stunden, -jahre. Zwischen Atomkern und Elektronen herrschen relative Abstandsverhältnisse wie in einem Sonnensystem. Wer für Wochen oder Monate durch Wüsten reist, der wird sich nach Kontakt zu anderen Lebewesen sehnen. Aber hier, auf diesen 10km, diese vielleicht 2h Auffahrt, die wir genossen, genossen wir nicht nur wegen der Landschaft, sondern auch wegen ihrer Abgeschiedenheit zu allen menschlichen Wesen.
Zum Glück holte uns die richtige Instituion von diesem Trip der Abschottung wieder herunter. Polizei.
Das war ja schließlich ein Grenzübertritt, aber inoffiziell. Ups...
2 Grenzwächter hockten auf dem Pass, quasselten mit uns, erhaschten Reiseimpressionen und gaben Empfehlungen. Herrlich diese Ungezwungenheit. Wir hatten hier nichts zu befürchten. Nema Problema. Das hört man doch gern.
Der Rest des Tages war unspektakulär. Wir kurbelten weiter, kamen wieder in besiedeltes Gebiet, fragten uns, wie hoch wohl der Durchgangsverkehr auf dem Pass sein mag. 5 Leute am Tag? Weniger?
MNE, das Land der schwarzen Berge hatte uns wieder. Wir erfuhren nun um so deutlicher, was dieser Ländername so bereit hält. Kaum flache Plätze, auf denen man ein Zelt stellen könnte. Die Suche nach Schlafplätzen wurde anstrengender.
Schon zu vorgerückter Stunde, in einem weitern Anstieg, fanden wir schließlich ein kleines Farnfeld mit Liegespuren hinter einem örtlichen Friedhof. Es sah so aus, als hätte erst letzte Nacht ein Zelt hier gestanden. Kam uns in der Abfahrt vom Pass nicht ein Reiseradler mit Globetrotter Taschen entgegen? Hmm....
Tag 33+34: Kralje – Radice: 69km 1187hm[Strava-Link]
Ich als von Elbspitzlern infizierter Radheini kann es mir, fürchte ich, nur schwer vorstellen, dass man Anstiege nicht mögen kann.
Der mardernde Ringkampf von Wille, Kraft, Schwerkraft und verzweifelnder Prognose (Wie weit denn noch?!), welcher sich bis zum allerletzten Meter erstreckt. Die darauf folgende Abfahrt, in welcher die Strapazen von eben an die Leine genommen werden und wie ein Drache auf Abstand gehalten, schwerelos, ohne Widerstand, bleibt er dir fern, bis der nächste Anstieg beginnt. Die Winde, betrieben von der Kurbel an deinen Füßen, surrt, zerrt das Paket der widerstrebenden Ringkämpfer zurück auf deinen Rücken, in deine Beine, in deinen Kopf und wird immer straffer, schnürt die Lunge enger, bis auch hier der letzte Meter gefahren, der letzte Höhenunterschied überwunden ist. Überwindung, Erhöhung eigener Erwartungen und gewaltige Kulisse sind es, die mich dazu antreiben. Doch was treibt einen an, der all das überhaupt nicht als Antrieb empfinden kann?
Ich denke, Fanny hatte von Anfang dieser Tour an des häufigeren allen Grund, mich weit weg, sich selbst weit weg, oder immerhin diesen verfluchten Anstieg ganz weit weg zu wünschen. Sie ist Hydrologin. Als solche kann sie sich sehr gut vorstellen, wie etwas einen Hang oder Berg hinab fließt. Aber hoch? Das ist doch wider der Natur. Zumindest der von Wasser. :P
Montenegro = Schwarze Berge. Sinngebend ist das Nadelgehölz, nicht das Gestein.
Hier aber geht es fast täglich Berge hinauf. Das heißt Anstiege, von mehr als 400Hm am Stück. Selten nicht gar 800 bis 1000. Mit ordentlich Gepäck, ohne viel Training für solches Terrain (wie gesagt - Berlin) und dann auch noch von den Reparaturkünsten meinerseits gemobbt. Ich musste ihre alte Kette austauschen, die wurde zum beständigen Sicherheitsrisiko. Hatte aber nur eine 9fach Kette dabei. Das Rad hat 8fach. Das ist doch mal einen Szenenapplaus wert. Ich bastelte ihr also eine zu schmale Kette auf die Schaltung, was darin resultierte, dass das kleinste Blatt der Kurbel andauernd die Kette festklemmte. Alles andere ging zu fahren. Sie musste also mit dem 34er Blatt vorlieb nehmen, egal in welchem Anstieg. Ich weiß, damit verdient man sich Liebe. Viel davon.
Aber nicht nur, dass sie mir nicht mal heimlich Luft vom Reifen ließ, ja nicht einmal mich anmurrte, sondern nur die Berge, sondern auch noch das kaum zu hoffen gewagte Resultat, dass sie selbst nun vom Bergsyndrom (leicht) angefixt ist, verdient mehr Honorierung, als sie selbst annehmen würde.
Warum pack ich aber diese Lobrede aus?
Ganz einfach. Zwei Gründe: Es ging mal wieder berg an. Dies war unser Mittel für einen gelungenen Start in den Tag. Wir beendeten Tage im Anstieg und begannen sie auch darin. Dies ist um Welten besser, als mit 500hm Abfahrt zu beginnen. Danach fühlt man sich eisig und kommt nicht in Fahrt. So dürfen die Muskeln gleich zeigen, was sie alles gelernt haben.
Na ja, und ausserdem war es mal nötig, dass es gesagt wird.
Juhu. Ein Schauer naht sich.
Wir können vom Pass aus unsere gestrige Strecke einsehen, schlängeln uns weiter bis nach Kolasin, stopfen die Taschen und Mägen voll, erleben einen Sorgerechtsstreit von streunenden Hunden live, beißen in den sauren Apfel großer Verbindungsstraßen und quetschen uns zusammen mit 40Tonnern durch den Wechsel der Hintergrundkulissen. Sah es bis Kolasin aus wie im Muldental, stehen wir nach Überquerung eines kleinen Passes plötzlich in der Abfahrt einer Hochalpenstraße. Nachdem wir uralte, 20km/h schnelle Kipplaster mit Angst vor Bremsversagen in unbeleuchteten Tunneln überholen, schaffen wir in der ersten Kehre den Absprung von dieser Autobahn und dürfen endlich wieder durchatmen.
Die Welt, wie ein Regengott sie sah. - Für so sattes Grün erduldet man gern den ein oder anderen Tropfen Nass.
Regenschauer überziehen unsere Köpfe, steile Hanglage verhindert vorzeitige Ruhe. So geht es weiter bergan, bis eine Einfahrt zu längst verlassener Behausung unsere Rettung ist. Wir machen uns auf einer Obstwiese breit und verharren hier für einen Tag. Es gibt Wasser (von oben und aus einem Schlauch), Brombeeren und Äpfel. Ab Mittag des zweiten Tages kochen wir uns Apfelmus, verfeinern ihn mit frischen Brombeeren und laben uns an der Kulisse frischen Grüns, welches vom meterologischen Rasensprenger gut in Form gehalten wird. So lässt´s sich leben.
Vorherrschendes Thema dieses Bildes? Männlich! (Steinzeit!)
Das sah nicht nur lecker aus, das schmeckte auch so.
Tag 35+36+37: Radice – Zabljak: 56km 1550hm[Strava-Link]
Morgentliches Ritual, hier ein bisschen größer als sonst: Trocknen aller einzupackenden Materialien, wie Zelt, Plane, Schlafsäcke etc. Gerade in so feuchter Wiesengegend ist Kondenswasser allgegenwärtig
Heute sollte es geschehen - wir wollten das höchste Gebirge von MNE erreichen. Das Durmitorgebirge, mit seinen Gipfeln bis über 2.500m. Dazu begibt man sich auf eine Art Hochfläche von 1400-1500m. Die immer häufiger wechselnden Wetterbedingungen ließen dennoch kaum Zweifel an unserem Vorhaben aufkommen, weshalb wir uns erwartungsfroh in die letzten 800hm dieses Passes begaben. Und es rollte. Noch vielleicht 30min bis zum Pass, stand uns plötzlich ein solo fahrender Holländer gegenüber. Wir quasselten, tauschten kurze Erfahrungen aus und erfuhren, dass er vor hat in 2 Jahren alle Kontinente zu befahren (inkl. Antarktis. Keine Ahnung, wie er das machen will...). Wer möchte, der kann sich gern auf The Cycling Dutchman genauer über den Knaben und sein Vorhaben, sowie seinen bisherigen Fortschritt informieren.
So sieht ein angehender Weltreisender aus...
Hier wurde uns wieder bewusst, wie weit unsere Fahrt schon fortgeschritten ist. Hat er nach einem Monat noch nicht mal einen wahren Grundstein für sein Vorhaben gelegt, befinden wir uns hingegen schon auf dem Rückweg. Man wird ein bisschen traurig, verdrängt es aber schnell wieder.
Männer springen hier mit Kettensägen durch den Wald, Laster beladen mit Holzscheiten oder Schafen tuckern vorbei, ansonsten gibt es nicht viel Bewegung. Meinte der Holländer noch, er wäre seit fast 2 Tagen an keinem Markt vorbeigekommen, fanden wir schon im nächsten Dorf einen Miniladen an der Straße, in welchem wir endlich wieder Balast für unsere leicht gewordenen Taschen ergattern konnten.
MÄÄÄH!
Nach der Passüberquerung rauschten wir auf unter 1000m runter, hatten also wieder 500hm bis zum Ziel Zabljac zu bewältigen. Da diese sich jedoch recht homogon auf fast 25km erkleckerten, stellten sie kein sonderliches Ereignis dar. Viel erzählenswerter ist der Wandel der Landschaft Richtung Durmitor. Wohl von ehemaligen Gletschern, von eben jenem Gebirge kommend, ist die Landschaft hier rundgelutscht, abgeschliffen und überhaupt nicht Waldbestanden. Es wirkt viel mehr wie eine Steppenlandschaft.
Wir mussten uns Hoheit auf der Landstraße gegen marodierende Schafbanden verschaffen, sahen im Abstand von 8km zwei mal das Schild "Durmitor - 8km" - die gab´s wohl im Doppelpack günstiger - und sahen, leider das letzte Mal, die Gipfel des ersehnten Massivs.
Ab hier folgt ein kleines Trauerspiel. In Zabljac fanden wir ein herrliches Camp mit sau netten Inhabern ("Komm, Kaffeeschnaps!), fanden auch sofort zwei neue Freunde in Streunern, welche fortan keine unserer Mahlzeiten verpassten und dennoch war es nicht das, was wir uns vorgestellt hatten.
Nett von Dir, dass Du mir etwas mitgebracht hast!
Jaja, ich weiß, das ist kein vorteilhaftes Bild von Dir, aber hey - es geht um den stillen Bettler!
Die Wolken sanken auf 1500-1600m Höhe. Wir konnten sie quasi von unten anditschen. Die Temperaturen gingen auf 3-8 Grad am Tag, bis zu 0Grad in der Nacht (was waren wir froh um unsere ~900g Daunenschlafsäcke) zurück und wir suchten unser Seelenheil in der einzigen Sauna des Ortes, sowie in Essen (was sonst?). Nach 2 Tagen striffen wir doch einmal ein bisschen durch das Durmitor, es blieb aber bei einer kleinen Waldrunde.
Hoch hinaus musste hier niemand gehen, es gab ohnehin nichts zu sehen.
Es gäbe durchaus Dinge über Hunde und nächtliche Aufstände zu erzählen, aber belassen wir es einfach dabei - auch das sind nur Lebenwesen, die in Essen einen essentiellen Beitrag zum Fortbestehen ihrer selbst sehen...
Hatte sich in der ersten Nacht heimlich rein geschlichen und schlief jede Nacht an unser Innenzelt geschmiegt
So etwas, wie das Campmaskottchen
So eine Art Abschlussanekdote: Zwei Interessante Dinge gibt es zu diesen Eiern zu sagen. 1. bekommt man sie in einer Tüte gereicht. Macht sich super, in Gepäcktaschen. 2. Doch jeder Anstrengung sie wohlbehalten zu transportieren zum Trotz, verzehrten wir keines der Eier. Ein uns unbekannter Dieb klaute alle. Die Hunde waren es nicht. Wir hatten sowohl Eichelhäher als auch Fuchs im Verdacht...
Tag 38: Zabljak – Scepan Polje: 76km 1070hm [Strava-Link]
Jede Wolkenlücke ließ die Hoffnung auf mehr Sicht aufflammen
Da die Wetterberichte hauptsächlich für Zabljak schlechtes Wetter verkündeten, ringsum aber Sonne, packten wir am dritten Tag alles zusammen, auch wenn es nass war, und machte ich mich mit Fanny von Dannen (Was´n Wortspiel! ). Nicht aber ohne noch einmal zum Kaffeeschnaps in die warme Stube gelockt zu werden.
Der Weg sollte nach Pluzine gehen, einer alten Ortschaft in mitten eines gestauten Flusses. Um da hin zu gelangen, gab es ein kleines Highlight unserer Tour – den höchsten Punkt mit 1907m.
Wuhuuu - ich bin der König der Welt!
Da es in Zabljak nicht gerade schönes Wetter war und die Gipfel ohnehin nicht zu sehen, stand zur Debatte ob das eine gute Idee ist, dort hoch zu zockeln. Aber je weiter wir uns um das Gebirge herum bewegten, desto mehr Lücken gab es in der Wolkendecke und pünktlich auf dem Pass gab es Sonne.
Leider blieb dies nicht so. Wir mussten aber noch einen 2. Pass überqueren, und schon hatten wir den umgekehrten Fall. Wir standen wieder in den Wolken. Na herrlich. Die hier anstehende Abfahrt, immerhin 1200Hm, wurde furchtbar kalt, da auch noch ein starker Wind drin stand, der die Greifvögel auf der Stelle schweben ließ und uns gern direkt von vorn aufhielt.
Ab hier begann die Zitterpartie
Wie schon auf dem Weg zum Durmitor, erfährt man auch hier einen schnellen Wechsel der Landschaft und ihrer Prägungen. In den letzten 250hm der Abfahrt hat man das Tal vor sich, in welchem der gestaute Fluss vorherrschendes Merkmal ist. Vor allem sein Tiefstand springt einem entgegen.
Wer sich jedoch auf den Straßen bewegt, der wird von nachtschwarzen Tunneln begeistert, in denen wirklich alles sein kann. Eine Kreuzung, eine Kehre, loser Bodenbelag - hier kriecht man lieber sehr vorsichtig voran. Dennoch, all der Unsicherheit zum Trotz, welche man beim Durchqueren dieser Löcher empfindet, sie sind schon beeindruckend. Ohne weiteren Aufwand einfach mitten in den Fels gehauen.
Erreicht man die Ebene des Flusses, geht es geradezu monoton voran - wenn nicht Tunnel in allen Variationen auf einen warten würden. Mal 10m lang, mal mehr als 400, jedoch immer schön Dunkel und ob des Belages ein Garant für Überraschungen. So ging es über 20km durch vermutlich mehr als 40 Löcher.
Ich hoffe man erkennt die schwarzen Löcher in der rechten Bildseite. Dort gings gerade hindurch
Nach diesen 20km erreicht man den Staudamm, eine kleine Abfahrt, einen Anstieg von 100hm und direkt dahinter bereits die Ländergrenze MNE - BiH, auch als Scepan Polje bezeichnet. Ein von Raftingtourismus lebendes Örtchen, welches vermutlich Winterpausen einlegt.
Doch á propos Rafting - wir befinden uns nun an der Tara, einem Fluss, namensgebend für die wohl 2. größte Schlucht, nach dem Grand Canyon, der Welt. Im Sommer ein erfüllendes Reiseziel. Bei 5Grad stellte ich es mir aber nicht gerade prickelnd vor.
Wir versuchten unser Glück bei einem der Raftingcamps, in welchem wir nicht nur einen Platz fanden, sondern auch noch eine kostenlose Übernachtung im Bungalow bekamen, da der Campinhaber der Meinung war, für´s Zelt wäre es zu kalt. Herrlich. Wir nahmen dankend an und erwarteten sogar am Abend bekocht zu werden. Leider brachte dies unseren normalen Tagesablauf schwer durcheinander. Essen gab es 21Uhr. Normaler Weise schliefen wir da schon. Es gab Fisch und Fleisch vom "Grill". Tolle Küchenkultur!
Tag 39: Scepan Polje – Kalinovik: 64km 1200hm[Strava-Link]
Unser Camp, von der bosnischen Gegenseite
Ein weiteres Land, welches ursprünglich nicht in unserer Tourplanung enthalten war, wurde nun unter die Räder genommen. Bosnien und Herzegowina ist ein ziemlich großes und vielfältiges Land, in welchem wir eigentlich in Richtung Sarajevo und später dann Zagreb fahren wollten. Regenprognosen, Schönwetterzonen und illusorische Hoffnungen trieben uns hier zu häufigen Richtungswechseln, weshalb wir Sarajevo nie erreichten (ebenso wie auch Zagreb).
Das erste, was einem auffällt, ist der Zustand der Straße. BiH hat noch deutlich weniger Asphaltstrecken, als die umliegenden Ex-Jugo-Staaten. Die ersten 15km von der Grenze weg sind mal fest, mal schottrig, mal halbseitig unbefahrbar, mal wiederhergestellt. Ein echter Flickenteppich.
Es geht stetig neben dem Fluss entlang, auf welchem auch Gruppen aus unserem Camp heute raften wollten. Darunter vor allem 4 Belgier, welche tags zuvor noch bei 25Grad an der Adria (Nahe Kotor) schmorten. Diese zogen ihr präventiv aufgestelltes "Reiseprogramm" voll durch, obwohl sie keinerlei warme Sachen dabei hatten. Die werden viel Spaß gehabt haben.
Es gibt auch gute Straßen!
Dass BiH nicht nur Patchwork Straßen, sondern auch einen zusammengeflickten Völkerteppich beherbergt, fällt ziemlich schnell auf. Es gibt die Serben mit ihrer pro-russischen Haltung (überall Russlandflaggen), Kroaten und hier und da auch Bosnier/ Herzegowiner. Straßenschilder besaßen häufig zwei Schriftarten (kyrillisch/lateinisch), von welcher die jeweils in der Region unbeliebte verschmiert wurde. Es scheint auch so, als ob die einzelnen Gruppen lieber unter sich bleiben möchten.
Man weiß, wenn man dort hindurch fährt, dass diese innere Spaltung eines der tragenden Elemente des Bürgerkrieges der 90er Jahre war. Dass diese Spaltung teilweise noch immer fortbesteht, stimmt einen traurig und lässt am Verstand des Menschen zweifeln. Dass eigentlich Furchtbare daran ist aber, dass diese Spaltung, diese Tendenz zu Abgrenzung und wechselseitiger Stigmatisierung auch immer stärker in unseren Breiten voran schreitet. Mal wieder. Ein Unding.
Egal wohin man sich wendet, es herrscht der Morast...
Natürlich entkamen wir, entgegen unseren Hoffnung, den Regenwolken auch heute nicht. Kaum hatten wir die asphaltierte Landesstraße verlassen, um uns auf einem bis zu 10% steilen Schotter und Dreckweg auf über 1200m zurück zu kämpfen, stand uns auch die Dusche des Petrus wieder zur Seite. So kam auch noch herrlicher Schlamm hinzu. Aber es hätte schlimmer sein können. Ein holländischer Motorradfahrer berichtete uns von Sturmböen bis 200km/h, keine 2 Tage her, im nördlichen Teil Kroatiens. Da wären wir samt Zelt davon geflattert...
Nicht irritieren lassen - das dient nur zu Trainingszwecken!
Die Schlammpartie verlockte uns, die Lokalgastronomie auszuprobieren und landeten in Kalinovik im Hotel Moskau (jap, serbischer Anteil scheint hier hoch zu sein). Verleitet vom Wort "Doppelbett" landeten wir in der französischen Suite. Wer die Butterbrotstellung als Schlafhaltung bevorzugt, der mag sich mit einer gemeinsamen Decke wohl fühlen, wir hingegen fühlten uns auch von der Wandfarbe missverstanden...
Unser mitgeführtes Taschenbuch der Balkanweisheiten lehrte, dass ein bosnisches Frühstück nur 2 saustarke Kaffee und 5 Zigarretten umfasst. Wir waren dementsprechend gespannt auf unsere Verköstigung am Morgen...
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#Tag40-KalinovikMarici
Tag 40: Kalinovik – Marici: 88km 1137hm[Strava-Link]
Der Frühstücksraum beherbergte nur uns und einen vor sich hin quasselnden Fernseher, welcher davor scheute Wetterprognosen aus zu spucken. Da wir jedoch schon am Vorabend entschieden hatten abzuweichen und nach Mostar zu fahren (angeblich herrscht dort Sonne!), verzichteten wir auf weitere Wetterdienste und verdrückten unser aus Ei und Schinken bestehendes Frühstück. Puh, Glück gehabt. Ich bin Nichtraucher und gegenüber Kaffee unverträglich. Vermutlich wäre ich nach dem ersten Tässchen herumgesprungen, wie ein geklopftes Schnitzel.
Es hatte die ganze Nacht lang geregnet und erst am Morgen ließ es nach. Als wir die Räder besprangen, hatte der Wind die Straßen allerdings schon ordentlich trocken gefegt. Gut gemacht Wind!
Fast schon ungewohnt ging es zunächst nicht rauf, sondern runter. Bis auf 600m um danach wieder auf über 1200 zu kommen. Toll. Und was noch viel schöner ist: Fanny störten diese Dimensionen schon längst nicht mehr. Die Berliner Flachlandschaft war vergessen und ganz besonders stolz kann man darauf sein, dass Etappen mit „gerade einmal“ 11Hm/Km von ihr schon als Flachetappen bezeichnet wurden. Nehmt euch mal ein Beispiel, ihr elenden Cielab-TdDD-Pussies... :P
Dass wir mit südlicher Richtung ein goldenes Näschen hatten, war schon früh abzusehen. Hinter Kalinovik türmten sich dunkle Wolken, vor uns wolkenloser, blauer Himmel. Welch verheißungsvolles Land. Selbst die Temperaturen stiegen im Laufe des Tages wieder auf über 20Grad. Das hatten wir seit der Fahrt zum Valbona-Tal nicht mehr.
Nach dem ersten "missglückten" Tag in Bosnien, gebärdete sich die heutige Strecke anheimelnd und versöhnlich. Wir konnten den Blick vom miesepetrigen Gemüt abwenden und erfassen, dass auch Bosnien mehr ist, als ein Flickenteppich von Nachbarschaftsstreitereien. Aber in Sachen Infrastruktur den anderen Jugo-Staaten auch nicht wirklich überlegen. Auch hier lag Müll. Geradezu provokativ lagen Verpackungsreste und weitere Schmuddeleien um ein "Rettet die Umwelt" Schild herum.
Es ging hier für ca. 40km auf Schotterpiste entlang, erst hoch, dann runter. In der Abfahrt konnte man sich mit Kipplastern duellieren oder nach der bald aufkreuzenden Landesstraße Ausschau halten.
Ein weiterer Pass musste noch überwunden werden. Zuvor durchquerten wir jedoch ein Becken, in welchem Fanny ordentlich Tempo vorgab. Die Vorräte mussten aufgestockt, ein Bäcker seiner Waren entledigt und unser Schlachtplan für die Übernachtung geschmiedet werden. Es ging nach dem Pass bis Mostar stetig berg ab. Wir wollten jedoch nicht in der Stadt nach Übernachtungsplätze suchen. Also nutzen wir eine der letzten Gelegenheiten in der Abfahrt und ergatterten einen interessanten Platz im Hang, auf einem "Radweg", mit Aussicht auf eine alte Burgruine und das Becken, in welchem auch Mostar liegt.
Tag 41: Marici – Dobrkovici: 43km 701Hm[Strava-Link]
Wir ließen unsere Räder immer stehen, ohne sie anzuschließen. Es gab nie Probleme. In Deutschland würde ich das nicht machen...
Mostar ist eine Stadt mit viel Historie. Sie ist berühmt geworden für ihr Zusammenleben von Moslems und Christen und ihrer Steinbrücke, welche beide Seiten des Flusses und somit der gläubigen Stadtteile miteinander verband. Die Brücke ist im Laufe der Jahre immer mehr zum Symbol avanciert und erreichte ihre Klimax wohl in ihrer eigenen Zerstörung während des Krieges. Sie wurde wieder aufgebaut und ist nun ein reines Touristenlockmittel.
Hier hat man im übrigen nur mit Pömpeln am Fuss guten Halt. Sau glatt, dieser rundgelutschte Seifenstein, welcher hier verbaut wurde...
Eine sonderlich christlich-islamische Verbindung kann man dort eigentlich nicht mehr erkennen. Auf beiden Seiten des Flusses sieht es mehr oder weniger gleich aus, gleiche Krimskramsstände und Teppichverkäufer und was es nicht alles gibt. Klar ist da viel Krempel im Angebot, aber wir waren auf unserem Rückweg und dieser leicht orientalische Flair gefiel uns ziemlich gut, also begannen wir nun auch Mitbringsel zu kaufen. Die Stadt besitzt sehr viele religiöse Gebäude und natürlich sieht man die Gegenüberstellung von Islam und Katholischer Kirche, aber das ist kein Grund zu glauben, es würde ein regelrechter Graben zwischen beiden Seiten verlaufen. Diese Stadt ist ein Hybrid.
Hier leider nicht zu sehen - auf einem westlichen Gipfel über der Stadt thront ein riesiges Kreuz der Kirche
Sowie eine Art Grenze in Bosnien, denn ab hier fand sich fast nur noch kroatisch affine Grundhaltung, keine russischen Flaggen mehr, kaum noch kyrillisch.
Wir mussten auf einer großen Straße der Ebene entsteigen und Fanny fühlte sich so gar nicht wohl auf diesem offenen Rollfeld. Bis Siroki Brijeg fuhren wir so weiter und ihr wurde immer schlechter. Das war nicht nur die Straße, irgendwie verlangte ihr Körper nach Ruhe. Also bogen wir auf eine Nebenstraße ab und veränderten, wiedereinmal, unsere Route. Der Track wäre weiter auf der M6.1 verlaufen bis wir Tomislavgrad erreicht hätten. So wichen wir nun wieder in die Berge aus. Bis hinter den kleinen Ort Dobrkovici kamen wir noch, dann fand sich eine geeignete Liegestelle und wir breiteten uns am frühen Nachmittag dort aus. Ich war ein wenig beunruhigt, nicht dass das miese Wetter sich doch in einer Erkältung festgesetzt hat? Schon allein deshalb wollte ich mich nicht zu weit von größeren Ortschaften entfernen, falls man doch zum Arzt muss.
Im Nachhinein betrachtet wurde klar, dass sie durch ihr leichtes Asthma an manchen Tagen einfach viel zu wenig Luft bekam. Gesagt hat sie es mir aber erst viel später...
Postkarten schreiben! Wir haben vermutlich mehr als 50 verschickt...
Doch die Ruhe und Nachmittagssonne schienen bereits gute Wirkung zu zeigen. Ich spielte ein bisschen mit unseren trocknenden Klamotten, holte noch etwas Holz und so klang dieser recht kurze Tag ziemlich gemütlich aus. Von Fannys körperlichen Gewitterwolken blieb nichts übrig. Das war am realen Firmament leider anders.
Tag 42: Dobrkovici – Brisnik: 65km 1307hm[Strava-Link]
Die Wolken waren uns anscheinend Richtung Mostar langsam aber beständig gefolgt und nun hatten sie uns wieder ein. Lästige, anhängliche Wasseransammlungen...
Diese trübe Ernüchterung über das Wetter konnte natürlich die Freude über den nun anstehenden Anstieg nicht übertünchen. Also, zumindest meine nicht.
Es standen noch etwas über 500hm an, die es wiederum stellenweise echt in sich hatten. Zudem war klar, dass es oben endlich wieder auf Schotter gehen wird. Heureka, wie schön.
Anhand von einzelnen Bilder schwer nachzuvollziehen, aber diese Piste sorgte für Schüttelsalat im Knochensortiment
Wir erreichten eine Art Hochebene, in welcher wir, nicht das Letzte Mal, einen Grund fanden, Bosnien als Radfahrer auch in Zukunft zu misstrauen. Die Hunde sind häufig frei und verteidigen ihr Revier sehr körpernah. Bisher hatten wir wenig derartige Erfahrungen sammeln können, in Bosnien häufig mehr als einmal pro Tag.
Doch von den Hunden mal abgesehen, mochte man diese abgelegene Ecke. Ein Supermarkt fand sich auch und so hatten wir wieder genügend Vorräte, um bei schlechtem Wetter auch mal einen Tag auszuhalten. Ab hier wurde die Strecke experimentell – nur sehr kleine Wege führten in unsere gewünschte Richtung und diese stellten sich auch noch als enorm schwer fahrbar heraus.
Nicht im Bild befindet sich ein Rundpavillon mit Grillplatz und Aussichtspunkt
In der Abfahrt fand sich eine Art Ausflugsplatz, der meiner Meinung nach überhaupt nicht ins Gebiet passte. Dort oben schien der Tourismus noch so eine Art Internet im Mittelalter zu sein. Damit kann keiner was anfangen. Ich hielt an, um ein Photo zu machen und Fanny jagte einfach vorbei, im Versuch so zu tun, als hätte sie mich nicht gesehen. Folgende Konstellation ergab sich daraus: Vornweg, auf schönem Schotter, Fanny, die glaubt mir hinterher zu fahren und, da ich nicht in Sicht komme, immer schneller wird, da sie sich wundert wo ich hin bin. Ich dahinter, der nun versucht ran zu fahren, da ich ja gar nicht vor ihr weg fahre, sondern hinterher. Es dauerte fast 5km bis ich ihre Flucht beenden konnte. Da ist ordentlich was angewachsen an Muskulatur in den letzten Wochen.
Humanoide Bäume - eine seltene Pflanze.
Wir ließen Tomislavgrad rechts liegen, verfolgten lieber die Spürnase einer in Fahrt kommenden Hydrologin und hielten geradewegs auf den Buzko Jezero zu. Allerdings hielten die Regenwolken auch auf die Hydrologin zu, was ja nur zu einem führen kann - Wasser geradezu überall.
Wir stellten uns manchmal unter, manchmal fuhren wir weiter. Wir trafen eine Hochzeitsgesellschaft, die wie aus unserem kleinen "Bosnien-Taschenbuch" entnommen wirkte. Herrlich.
Keine 5km vom See entfernt errichteten wir unser Nachtlager, überließen die Nachtwache einer riesigen Gottesanbeterin und kochten mit Spiritus im Zelt.
Jaja... Liebe geht durch den Magen
...tjoa, hier genauso.
Tag 43: Brisnik – Rore: 95km 996Hm[Strava-Link]
Ein Wort zu unserem aktuellen Fahrplan: Sarajevo und Zagreb waren schon längst gestrichen. Unser kurzfristiges Ziel war Karlovac. Bis dahin sollte es, recht nah zur kroatischen Grenze, in Bosnien weiter gehen, bis etwa Velika Kladusa. Von Karlovac aus wollten wir weiter nach Slovenien - Maribor. Je nach Zeit und Möglichkeit wollten wir noch Bratislava oder Wien, oder gar den gesamten Moldau-Elberadweg oder Ostböhmen durchstreifend zurück nach Dresden fahren. Welch naive Ambitionen.
Von der Sonne aufgestachelt stürzten wir uns auf den See, an dessen Ufer sich die ersten Hunde des Tages auf uns stürzten. Das macht munter. Klingt aber schlimmer, als es war.
Der See selbst ist jetzt keine herausragende Konstruktion der Natur, aber dennoch befriedend zu sehen, dass Wassermengen nicht immer über dem Kopf schweben müssen, um daraufhin hinab zu fallen. Manche sind auch damit zu frieden ihr Dasein am Boden zu fristen. Eine lobenswerte Einstellung.
Wolkenberge, wandernde Wassermassen. Eine Krux.
Es ging durch Livno - der Stadt des Käses - in welcher wir weiter Vorräte hamsterten, einen ersten Regenschauer durchziehen ließen und einige Kilometer später einen der letzten Anstiege auf über 1000m in Angriff nahmen. Ein bisschen Wehmut machte sich in mir breit. Es sind die Kleinigkeiten, wie 500hm Anstieg am Stück oder mehr, die man schnell zu vermissen beginnt. :P
In unserer bosnischen "Fibel" wird darauf hingewiesen, dass, ähnlich wie in Brandenburg, vor allem junge Menschen im leichtsinnigen Umgang von Alkohol und Führerschein sich häufig selbst und andere in den Tod fahren. Unfälle seien an der Tagesordnung. Interessant war für uns, dass wir gleich zwei Aspekte dieser Problematik heute erleben durften. Zuerst hörte ich eine Kollision, die sich wenig später als ein Abpraller von 3 Jungen Männern mit ihrem roten Auto an der Leitplanke herausstellte. Die hatten dabei echt Schwein, nur Materialschaden. Etwas später, nach unserer Mittagspause in Glamoc, trafen wir auf eine Straßensperre. Es war Sonntag und die Behörden der Region erlaubten auf einem etwa 2-3km langen Abschnitt der Landesstraße offizielle Straßenrennen. Was dort los war - echt krass. Die Bosnier sind auf jeden Fall Auto und Geschwindigskeitsaffin.
Wir verließen kurz darauf die Hauptstraße, bekamen zwischenzeitlich echt Bammel, da Hunde so hoch wie unsere Lenker Spurteinlagen von mehr als 500m quer übers Feld einlegten, nur um unsere Kniescheiben anzubellen... wuah, das war nicht geil. Aber irgendwann ist auch deren Revier zu Ende und sie lassen einen ziehen.
Die nächsten 40km unterscheiden sich in ihrer Beschaffenheit kaum. Feste Schotterpisten, verfallene Häuserruinen, an Gipfeln hängende Regenschauer, Dolinen und kaum ein Baum.
Wir entschieden uns nahe einem Ort namens Rore unser Lager aufzuschlagen, versteckten uns in einer der Dolinen, schafften es noch gerade rechtzeitig ins Zelt zu kommen, bevor der nächste Guss nieder ging und wurden zum Abendbrot mit Regenbogen und Panorama versöhnt.
Die letzte Übernachtung auf fast 1000m - es sollte die wohl kälteste Nacht werden
Tag 44: Rore – Kulen Vakuf: 79km 823Hm[Strava-Link]
Was für ein Morgen. Wir krochen aus unserer Doline und sahen den immer breiter werdenden orangen Streifen am Horizont. Es wird doch nicht etwa...?
Nein. Natürlich nicht. Bis wir unser Frühstück beendet hatten, machte sich der nächste Schauer bereit und so ging es mit Nieselregen auf den Weg.
Es sollte nun hinab gehen nach Drvar. Vorher gab es wirklich nicht viel und auch dieser Ort wirkte nicht gerade überbordend belebt. Nun wartete der Nationalpark Una auf uns. Vorher stand die vorletzte Steigung mit mehr als 200Hm am Stück im Weg. Die Hügel werden immer kleiner.
Schön nass erreichten wir nun die lange Strecke, die sich über der waldbestandenen Schlucht der Una entlangschlängelt. Die Nähe zu Kroatien scheint diesem Teil Bosniens auch einiges an Geld ein zu bringen, und so findet sich dieser Nationalpark in einem wirklich guten Zustand, mit schön hergerichteten Picknick- und kleineren Campingstellen.
In Martin Brod wurde uns schon angeboten für 1,50€ pro Person das Zelt aufzubauen, aber wir wollten endlich mal wieder eine Dusche haben, welche erst im 10km entfernten Kulen Vakuf zu finden wäre. Also fuhren wir weiter – nachdem wir die Wasserfälle besichtigt hatten. Wieder symptomatisch für diese letzten Wochen drängeln sich Regenwolken der strahlenden Sonne auf.
Kleine Campingplätze sind meistens echt toll.
Wir kamen auf den 10km bis Kulen Vakuf nicht darum herum, noch einmal die Picknickplätze zu testen und einem Regenfeld damit den Passierschein A38 auszustellen. In Kulen Vakuf ignorierten wir die Hinweisschilder für das große Camp gekonnt und erreichten ein Minicamp von Privatleuten, welches von 2 verfressenen Katzen behaust wurde.
Wer meint unbeobachtet essen zu können, der ist hier falsch...
Es war herrlich da. Die Leute hatten sich viel Mühe gegeben beim Ausbau ihres Camps, es gab Koch und Feuerstelle, einen Computer von welchem wir das erste Mal Musik seit Ewigkeiten hörten, die keiner Volksmusik gleichkam und wir konnten mal wieder Wäsche waschen. Wir wussten, dass es unsere letzte Nacht in Bosnien werden sollte und jeder zog sein eigenes Fazit zu diesem Land. Das Wetter hatte uns nur partiell willkommen geheißen und auch manche Abschnitte der Strecke hatten sich nicht gerade mit positiven Eindrücken ins Gedächtnis gebrannt. Aber da wir wirklich nur einen kleinen Teil von BiH gesehen haben, sollte man daraus noch kein Gesamtfazit erstellen. Es lohnt bestimmt mal wieder zu kommen. Nur vielleicht nicht im Oktober.
Mein tägliches Ritual - Tourtagebuch schreiben.
Tag 45: Kulen Vakuf – Cetingrad: 111km 1083hm[Strava-Link]
Woher auch immer dieser Glaube kam, ich hoffte noch immer darauf, dass wir dem guten Wetter entgegen fahren. Heute sollte es auf kroatische Seite gehen, damit wir morgen in einem kleinen Spurt bis Slovenien durchziehen können. Es zog uns zurück ins Land des Blaubeerlikörs. Das war genau das, was wir an den nass-kalten Abenden gebrauchen könnten.
Doch zunächst galt es den letzten ernsthaften Anstieg zu genießen. Das Una-Tal erstreckte sich noch für einige Kilometer, bis man in einer Klettereinlage von 350hm auch dieses verlässt und sich welligem Flachland entgegen wirft.
Das Tal selbst sieht aus, wie ein x-beliebiger Abschnitt im Riesengebirge - bis auf die Minarette, die sind eine kleine Abweichung vom gewohnten Bild.
Der letzte anständige Anstieg unserer Tour - sind es Tropfen oder Tränen, ich weiß es nicht mehr. :P
Schon lange Zeit phantasierte ich beim vor mich hin demmeln in den Anstiegen davon, dass der Balkanraum ganz dringend eine Art Radklassiker bedarf. Einer Veranstaltung, die das kaum genutzte Potential dieser bombastischen Gegend endlich ausschöpft. Zudem hätte der grenzübergreifende Einzugsraum einer 2-Wochen-Rundfahrt durch Albanien, Montenegro, Kroatien, Bosnien und vielleicht auch Serbien, Mazedonien und Kosovo sogar übergreifend verbindende Aspekte zu bieten. Wie auch immer - die Gegend hat riesiges Potential für legendäre Berg-Königsetappen, für Eintages-Klassiker und sogar ewig lange Flachetappen.
Es wäre schön, wenn so etwas wie Radsport einem kleinen Teil der Bevölkerung und Länder Begeisterung und sogar Perspektive bieten könnte. Doch für so etwas bräuchte es geradezu waghalsige Aspiranten, die all das in die Wege leiten müssten. Eine Utopie.
Wir hingegen stolperten in Bihac, der regionalen Kreisstadt in ein riesiges Verkaufssortiment eines neueröffneten, kaum besuchten "hier bekommst du alles" Marktes. Ja, auch dort treibt ortsgebundener Einkommensüberschuss solche Blüten, nicht nur in Dresden...
Es war mir bereits bewusst, dass der Versuch nach Kroatien hinüber zu gelangen ungewiss ob seiner Positionierung sein wird. Manche Übergänge existierten nicht mehr, manches war in meiner OSM Karte unklar dargestellt. Wir kamen jedoch gut voran und stießen auf ein hoffnungsfrohes Zeichen - einem Straßenschild nach Slunj, welches in Kroatien liegt. Wir folgten der Straße, welche, je näher wir der Grenze kamen, graduell immer schlechter wurde, bis wir an einem Baucontainer aufgehalten wurden. Der Grenzwärter ließ uns nicht durch, es wäre nur ein Durchgang für regionale Einwohner. Wir sollten es in Pasin Potok probieren, 13km von hier.
Aus den 13km, an denen ich ohnehin meine Zweifel hegte, wurden 30km. Der Tag wurde lang und länger, die Anstiege, auch wenn nicht lang, immer garstiger und der immer wieder einsetzende und sich verstärkende Regen ließ uns auch nicht in Wallung kommen. Was uns antrieb war einfach der Gedanke, es hinter uns zu bringen. Es zeigten sich deutliche Abnutzungserscheinungen. Warum machen wir das hier?
Auch Pasin Potok wollte uns nicht drüber lassen. Ich hörte Fannys Moral wie einen riesigen Pudding zu Boden klatschen. Glücklicherweise wollten uns aber die Kroaten herein lassen. Wir waren wieder in der EU, der Regen wurde wieder stärker und wir wollten nur noch eines - schlafen! Ein schlammiger Waldweg brachte uns schlussendlich zu unserem Ziel.
Tag 46 Cetingrad – Karlovac: 58km 580Hm[Strava-Link]
Sowie Zugfahrt Karlovac - Ljubljana
Ljubljana - Wien
Busfahrt Wien - Dresden
Die Nacht war furchtbar. Es kamen mehr als 60l/m² herunter, Fannys Seite der Liegefläche wurde geflutet, ich hörte aus unruhigem Schlaf geweckt abwechselnd schwere Wassertropfen herniederprasseln, oder aber Wildtiere den Pflanzenbewuchs um uns herum zerkauen. Zudem kam eine Prognose der meterologischen Verwandtschaft, welche zusammengefasst folgendes beinhaltete: Regen, kalt, Regen, kalt, evlt. Schnee. Wir nippten an unserem Tee und knabberten an unseren Morgenbemmen wir an einer Henkersmahlzeit.
Ein trockener Abdruck auf dem Boden ist Zeugnis unserer Existenz
Wir waren noch immer mitten im Nirgendwo, also mussten wir weiter. Wenigstens bis Karlovac, dort wird sich schon zeigen, was wir als nächstes machen werden.
Wäre unsere versagende, da aufgeweichte Moral der einzige Aspekt unseres nahenden Scheiterns gewesen, wir hätten es vielleicht noch ein paar Tage länger ausgehalten. Leider kam mechanisches Versagen noch hinzu. Die Sperrklinken meines Freilaufkörpers schienen runtergenutzt. Ich konnte immer häufiger Treten, ohne jegliche Kraftübertragung. Ein Leerlauf im Vorwärtsgang sozusagen. Enorm unpraktisch, vor allem in kurzen Gegenanstiegen, die hier zu Hauf aufwarteten.
Wir waren gefrustet, von den Aussichten "not amused" und der Meinung, doch eigentlich alles erreicht zu haben, sofern dies möglich war. Wir wollten nie zurück nach Slovenien oder Österreich. Unser Ziel war Ungarn über Serbien und Mazedonien. Da wir diese Route schon frühzeitig abändern mussten, hatte die restliche Tour den Anschein der Übererfüllung bei gleichzeitiger Unterernährung unserer Erwartungen.
Das Ende unserer Fortbewegung aus eigener Kraft musste zunächst verdaut werden...
Wir wurschtelten uns bis Karlovac und entschieden uns doch schweren Herzens für die Bahn. Wenn schon Slovenien, dann wenigstens Ljubljana. Steffi wusste nur gutes zu berichten und wir dachten, von dort aus eine gute Position für die Weiterreise nach Dresden zu besitzen.
Wir machten uns ordentlich breit und trocknete unsere Klamotten, Schuhe, Schlafsäcke und Zelt. Der Zugbegleiter beschleunigte in unserer Nähe immer seinen Schritt. Ließ unser nicht vorhandenes Deo etwa nach...?
Wer schon einmal mit Reiserad unterwegs war, der weiß, dass Zugfahren meistens das Umständlichste und Nervenbelastendste der gesamten Tour werden kann. So auch hier. Die geschlossenen Grenzen für internationalen Bahnverkehr, die unwissenden doch ihrer Unwissenheit obsolet reagierenden Schaltermitarbeiter, die uns falsche Verbindungen anpriesen, die Panikattacken am Bahnsteig, die uns überfielen, als kein Schaffner wusste, wo das sein soll, wohin wir fahren wollen, die ganz am anderen Ende befindlichen Radabteile, die reservierten Reiseabteile in überfüllten Zügen, die in Vergessenheit geratenden Grenzkontrollen zwischen allen EU-Ländern, der Bus voller Touristen, welcher geradezu in Schockstarre verfällt, als wir in Dresden auf mehrere Polizei-Hunderter in Vollrüstung und Hundestaffeln mit Wasserwerferunterstützung treffen, die sich grölend nähernde Menge von Dynamofans, welche uns zu rekordverdächtiger Fluchtzeit antreibt.
Wir sind wieder zu Hause, haben viel erlebt und doch nicht alles. Doch, was bleibt einem nach einer Reise?
Genau - die Vorfreude, auf eine Weitere! Der Balkan wird uns wieder sehen. Irgendwann.
Abschluss: Ljubljana - wer Prag mag, der wird sich hier wohl fühlen.
Ganz ehrlich - in dieses Hostel bringen mich keine zehn Pferde mehr zurück. Nach gut 45 Tagen Freiluftübernachtung wurde man hier in eine schlecht klimatisierte Schuhschachtel gesteckt
Es gibt tolle Altstadtgassen, herrliche Trinkschokolade und leckeres Bier. Wie Prag, eben. Nur der Heidelbeerschnaps, der ist großartig. Wir kauften für die komplette Verwandtschaft ein.
Die Burg wurde saniert und zu eine Art Gesamtkunstwerk umkonzipiert. Sehr interessant anzuschauen!
Das letzte Bild, eine Analogie - Bad Weather, übertüncht von Sonne. Wir hatten viel gutes Wetter, doch die letzten zwei Wochen bleiben feucht in Erinnerung
Im Endeffekt waren es 39 Fahrtage mit 2.810km und 41.066Hm (~14,6Hm/km = hügelige Etappe :P ). Wir durchquerten/kreuzten/touchierten 7 Länder mit dem Rad, hatten 2 Platten (beides Male Schleicher durch Dornen/Glas), eine Hops-gegangene Speiche, eine zerstörte Taschenaufhängung, Tagestemperaturen zwischen 3 und 37Grad, büßten eine Sonnenbrille ein, süffelten fast täglich 1l Trinkjogurt und 2l Bier, trafen nur entgegenkommende andere Reiseradler (~6 Mal), haben kein probates Mittel gegen aggressive sowie/bzw. hungrige Hunde gefunden, vertilgten soviele Feigen wie noch nie zuvor, trafen sogut wie immer mindestens einen deutsch-sprechenden Menschen im ehemaligen Jugoslawien (komisch), verbesserten unsere serbokroatischen Sprachkenntnisse quasi null (schade), trafen nur in Deutschland und Österreich auf Flüchtlinge, hörten allerorts wie schlimm es gerade wo anders wäre, wovon wir aber nie etwas zu Gesicht bekamen (Medien?), lasen ca. 8 Bücher (eBook), knippsten recht genau 1000Bilder und vermissten noch während der Heimfahrt im Bus das Gefühl, so weit zu kommen, wie die eigenen Beine dich bringen.
Das war´s, ich bin durch.
Noch immer sind es wohl um die 19.000 Wörter, die ich euch hier vor die Füße werfe. Doch denke ich, dass es sich lesen lässt, sollte man (bzw. frau) die Geduld und Zeit haben, sich ihrer anzunehmen.
Es sind sehr viele Bilder dabei, ich habe sie auf ein vernünftig Maß verkleinert, dennoch könnte es sein, dass Performance-Schwierigkeiten auftreten, beim Öffnen dieses Threads. Leider gibt es keine Möglichkeit, die Bilder so zu verbergen, dass sie nur auf Wunsch gezeigt werden. Hat hier noch jemand eine Idee?
Ich hoffe sehr, dass es dem ein oder anderen als Lektüre gefällt und vielleicht sogar anregt. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und Ausdauer.
le knusper
Hexe
Die Route, die ihr da genommen habt, ist ja auch nicht ganz ohne. Recht hügelig für Reiseradlerverhältnisse. Wieviel kg habt ihr da mit euch herumgeschleppt, und habt ihr es bereut (bzw. reduziert)?
:-) Antje
Heyho,
zur Frage des Gepäcks wegen - das ist für mich leider nicht so genau zu beantworten, da wir es nie gewogen haben. Gefühlt kann man aber sagen, dass Fannys Gepäck wohl so zwischen 15 bis 25kg schwankte und meines wohl zwischen 25 und 40kg. Das ist arg Wasser abhängig. Manchmal hatte ich wohl mehr als 15l Wasser dabei, manchmal kaum 5l.
Wir hatten uns vor der Reise eine Liste erstellt, was wir so alles glauben zu brauchen. Aus vorherigen Reisen schien die Einschätzung dieser Liste ganz gut geklappt zu haben, da wir nichts weglassen mussten, um die Taschen auch schließen zu können. Das Packmanagement hatte von Anfang an ziemlich gut funktioniert. Vor allem die Aufbewahrung von sich selbst verbrauchenden Ressourcen wir Nahrung bot Spielraum für große Schwankungen in unseren Freiräumen. Letztendlich hätte ich aber nie irgendwas zurücklassen wollen. Eher im Gegenteil - ich hätte gern mehr mitgebracht.
Als kleinen Gag für meinen Vater brachte ich Feuerholz aus drei Ländern mit (jeweils einen ordentlichen Holzscheit), für die Freunde gab es 2l-Bierflaschen, Käse und Wein, Teppich, Vorleger und Kissenbezüge, was teilweise seit Durmitor bzw. Mostar mitgenommen wurde. In der ersten Woche nahm ich Fanny gern mal noch den Packsack ab, später wurde er ihr steter Begleiter. Alles in allem kann ich über unsere Zuladung nicht meckern. Klar, sonderlich leicht waren wir nicht. Dieser Holländer, den wir in MNE trafen, sah aus, als hätte er kaum 20kg Gepäck dabei. Vermutlich noch nicht mal das. Da steckt aber auch wirklich ordentlich Kohle dahinter, wenn man sich bei jedem Ausrüstungsgegenstand den leichtesten gönnen möchte/kann. Empfinde ich als überflüssig - das Motto der Hexe gilt ja ohnehin schon seit Jahren - was de nicht auf´m Konto hast, haste halt in den Beinen. :P
(ährm... ich mein natürlich: Stahl rules! )
@antje: Danke für´s Kompliment, sagt die Fanny.
le knusper
Ich bin ja hierzulande immer ganz angetan davon, daß zu (fast) jedem Hund ein Herrchen/Frauchen gehört.
Vielleicht ist der Bericht ja auch was, um es im Reiserad-Forum ( http://rad-forum.de/ ) unterzubringen ?
Ich bin ja auch nicht ultimative Gewichtsfanatiker, und ob mein Bock nun 7.8 oder 8.3kg wiegt, ist ja auch objektiv gesehen wenig entscheidend. Ob man dann allerdings 10kg oder 40kg mit sich herumschleppt, macht schon einen Unterschied. Ich koennte wetten, dass die Taschen weniger oft herausspringen und die Speichen weniger oft nachgeben, wenn sie weniger zu tragen haben. Ich war mal mit 23kg (inkl. offroadtauglichem Rad, inkl. Zeltausruestung, ohne Trinken) fuer vier Wochen (inkl. Neuschnee) unterwegs, und als ich danach ohne Ballast fuhr, fuehlte es sich verdammt einfach an. Du musst dich ja wie eine Rakete gefuehlt haben nach dem Ablegen des Ballasts.
Es mag vielleicht nicht so geklungen haben, aber mir ist durchaus bewusst, dass es so etwas wie Gewichtsgrenzen, sowohl für Taschen als auch für die Gepäckträger selbst gibt. Diese habe ich stets eingehalten. Es war eine der Fronttaschen, die abgesprungen ist - was eindeutig sau schlechter Straße und minimal ungenügender Klemmung der Halterung zuzuschreiben ist. In der Tasche waren ca. 5kg, was deutlich weniger ist, als zugelassen... nach dieser Logik hätten viel mehr meine Back-Roller nachgeben müssen, da die durchaus an ihren Grenzen geführt wurden - taten se aber nicht. Und die Speiche brach auch nicht wirklich. Es war der Nippel, der gebrochen ist (was auf etwas zu kurze Speichen beim Einbauen hinweist - ich weiß.), durch die Tasche, die ins Laufrad sprang. Alle anderen blieben heil, obwohl ich gerade mal DT Champions verbaut habe, was bei solcher Belastung schnell zum Bruch führt, da die einfach mal unflexibel sind. So falsch kann´s also nicht gewesen sein, was ich da gemacht habe...
Hmmm... klar fühlt man sich ohne Gepäck wie befreit. Das treibt aber nicht nur schöne Blüten.
Schlimm wirds, sobald du aus dem Sattel gehst. Die ersten Fahrten fühlen sich dann immer so an, als würdest du gleich das Rad im hohen Bogen von der Straße schleudern, da man ein ganz falsches Maß an Kraft anlegt, um die Karre herum zu wuchten.
Ich war ja auch motiviert, als ich wieder zurück war. Wollte unbedingt noch eine Heimat Light fahren. Bin dabei allerdings auf Grund von fehlender Bekleidung eingegangen. Hätte nie im Leben damit gerechnet, dass es unterwegs Richtung Gefrierpunkt gehen könnte. Habe in der Abfahrt nach Rychnov (sowie bei allen vorherigen) nicht auf Grund von überambitioniertem Kraftaufwand sondern auf Grund von Schüttelfrost in den Armen das Rad beinahe weggeworfen. Das war nicht geil... dabei ging der Raketenantrieb komplett flöten.
Hatte ich mir im Vornherein auch schon überlegt. Werde dort mal testen, inwieweit ich den hier verfassten Text dort verwenden kann. Sollte es gar zu viel Formatierung bedürfen.... na ja, das hier war schon beschäftigend genug. Aber schauen wir mal...
Bei diversen Bildern hätte ich mir eine vergrößerbare Version gewünscht, das funktioniert ganz gut mit den Foto-Alben von mtb/rennrad-news.de (einbetten via BB-Code), siehe auch die Bildbeiträge im hiesigen Unterholzbereich.
Auf jeden Fall hat der Bericht mein Iteresse für die Ecke da unten noch mehr angefacht:)
Bzgl. der Bilder - das ist durchaus richtig, dass ich mir auch schon überlegt hatte, größere Bilder mit einzubetten - aber insgesamt waren das hier schon 260Bilder. Alle vorher auf ein kleiners Format gestampft, damit es nicht Jahre dauert, das alles hoch zu laden. Wenn ich noch mal Zeit dafür habe, wähle ich vielleicht ein paar aus und mache sie in Groß als Link gut gekennzeichnet mit rein. Das könnte aber ein bisschen dauern...
le knusper
Hexe